Cookie-Einstellungen

Diese Webseite verwendet Cookies, um die Bedienfreundlichkeit zu erhöhen.

Informationen zum Datenschutz

03. August 2023

Aufstieg und Fall der Plastiktüte

1853 stellte der Papierfabrikant Gumpert Bodenheim in Bad Sooden-Allendorf die erste industriell gefertigte Papiertüte her.
1961 gab das Kaufhaus Horten in Neuss die ersten Plastiktüten aus. Sie wurden Hemdchentüten genannt, weil die Träger wie die eines Unterhemds aussahen. Durch das inzwischen erfolgte Verbot aus Umweltschutzgründen ist sie schon jetzt zum historischen Kultobjekt aufgestiegen.

Mit der Plastiktüte verhielt es sich immer schon wie mit der "Bild"-Zeitung: Niemand kaufte sie, aber jeder hatte eine in der Hand. Wie kaum ein anderer Massenartikel spiegelt sie die Gesellschaft, ihre Individuen, Schichten und Milieus wieder. Und sie ist eines der großen Symbole für die Verschmutzung unserer Umwelt. Eingebrannt in die Verbraucherköpfe sind Bilder ganzer Landstriche in Plasteweiß getaucht, von qualvoll an Plastiktüten erstickten Vögeln, Armen in der der Dritten Welt, die sich in Slums durch Tütenberge schaufeln.

In den 60er Jahren begannen Selbstbedienungsläden in schwindelerregender Zahl zu eröffnen. Die neuen "Supermärkte" führten bald zig-tausende Produkte allein in der Lebensmittelabteilung. Im Überfluss des Angebots verdrängten Impulskäufe die schnöde Bedarfsdeckung. Nur ein Problem musste noch gelöst werden: Wie bekam man die vielen neuen Dinge bequem nach Hause? Antwort: im "Hemdchen", der ersten Tragetasche, die den Namen Plastiktüte verdient und die 1961 aus einem deutschen Patent zur Stanzung von Griffen aus einem Plastikbeute entstand.

Selbstbedienung und Plastiktüte begannen bald, sich gegenseitig zu befruchten. "Das eine hätte es ohne das andere wohl nicht in der Art gegeben, wie wir es heute vorfinden", erklärt Heinz Schmidt-Bachem, Experte in Sachen Tragetaschen-Historie. Schuhe, Lebensmittel, die Zeitung - jeder noch so kleine Gegenstand wurde in Plastiktüten gestopft. Denn überall lagen sie in rauen Mengen bereit, um Warteschlangen an den Kassen abzubauen. Tüte auf, Ware rein - der nächste bitte.

Die großen Kaufhäuser gingen bald einen Schritt weiter: Damit die Konsumenten immer mehr und immer größere Dinge bequem mit nach Hause nehmen konnten, wurden stabilere Tüten als die "Hemdchen"-Tragetasche eingeführt: Zunächst die sogenannte Reiterband-Tragetasche mit angesetzten Griffen, dann das heute noch gebräuchliche Modell mit integrierten und verstärkten Griffen: die "Doppel-Kraft-Tasche", kurz "DKT“.

Damit war auch ein idealer Werbeträger geschaffen, der massenhaft und dabei so gut wie kostenlos verbreitet werden konnte. Nun offenbarten sich auf der Straße gesellschaftliche Unterschiede: Wer nicht als Aldi-Einkäufer ertappt werden wollte, musste beim Einkaufen seine Edeka-Tüte parat haben oder konnte erst im Dunkeln nach Hause kommen.

Meist dominierten simple Firmen- oder Marken-Logos auf den Tüten. Anders als in anderen Ländern wurde keines der in Deutschland verbreiteten Modelle für den alltäglichen Warenhausgebrauch je von einem Künstler gestaltet - ihren Ruf als die Inkarnation von Müll ist die Kunststoff-Tragehilfe so nie wirklich losgeworden. Im Ostblock dagegen galten West-Tüten geradezu als Statussymbol, weil sie einen hauch der ersehnten Markenwelt des Westens in die realsozialistische Konsum-Ödnis transportierten. Und sie konnten sogar zum politischen Statement mutieren, wie die Tragetaschen einer Zigarettenmarke, die sich wegen des aufgedruckten Werbeslogans "Let's go West!" Ende der Achtziger großer Beliebtheit hinter dem Eisernen Vorhang erfreuten.

So lebte die Welt lange in einem regelrechten Plastiktüten-Rausch. Langsam allerdings begannen die Dinger, durch das Land zu wehen wie Tumbleweeds in der Wüste von New Mexico. Folge: Die Tüte geriet immer mehr in das Visier der Umweltschützer, die sie zu Teufelszeug erklärten: weil sie das Grundwasser verseuche, Schuld sei am Sauren Regen und ihre Herstellung unnötig die Erdölvorräte dezimiere. Inzwischen sind sie Geschichte. Doch Ihr einstiger Stellenwert für den Einzelhandel wird sicherlich nicht nur den Fachleuten noch länger im Gedächtnis bleiben.



Unsere Werbepartner

Impressum Datenschutz Cookie-Einstellungen Über uns

HANDELSIMMOBILIEN HEUTE (HIH) ist ein Nachrichten- und Serviceportal für die gesamte Handelsimmobilienbranche in Zusammenarbeit mit renommierten Verbänden und Instituten.