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Jahrelang galten Shopping Center als Investors´ Darling und waren ein Muss im Immobilienportfolio – doch die Zeiten als begehrtes Investment-Objekt sind passé. Nur unter besonderen Rahmenbedingungen findet diese Assetklasse Akzeptanz bei den Investoren. Dies ist zunächst nichts Neues, denn schon vor der Abschwungphase am Immobilienmarkt und vor der Pandemie sahen Investoren vermehrt Risiken bezogen auf Branchen, die im E-Commerce-Boom Federn gelassen haben. Begonnen hat jedoch alles mit einem uniformen Handelsbesatz in deutschen Centern und mit einem Verkaufsflächenüberhang. HI HEUTE sprach dazu mit Jörg Krechky. Er leitet bei Savills seit 2015 das deutschlandweite Investmentgeschäft mit Handelsimmobilien als Head of Retail Investment Germany.
HI HEUTE: Herr Krechky, wie würden Sie die derzeitige Situatition im stationären Handel skizierren?
Jörg Krechky: Die Frage nach seiner Zukunft ist allgegenwärtig. Das Bild, das in den Debatten und Beiträgen zu dieser Frage gezeichnet wird, hat sich in den letzten Jahren zunehmend verdüstert. So rennt die Branche spätstens seit Corona von einer Krise in die nächste. Dieser zunehmend pessimistische Blick steht im Kontrast zur Umsatzentwicklung der letzten Jahre. Um durchschnittlich knapp vier Prozent pro Jahr legte der Umsatz im stationären Einzelhandel seit 2016 hierzulande zu. Eine derart wachstumsstarke Periode gab es letztmals vor 30 Jahren. Doch der Widerspruch ist nur ein scheinbarer, nicht nur weil das eine ein Blick zurück, das andere ein Blick nach vorn ist. Hinzu kommt: Der stationäre Einzelhandel leidet unter einem strukturellen Problem, das durch die gute Konjunktur zwar abgemildert, aber nicht gelöst wurde. Die Coronakrise hat allerdings schlagartig aufdeckt, was bislang nur punktuell sichtbar wurde: Es gibt in Deutschland zu viel Verkaufsfläche – nicht nur lokal begrenzt, sondern flächendeckend.
HI HEUTE: Was konkret ist das Problem der zu großen Verkaufsfläche in unserem Land?
Jörg Krechky: Der Flächenüberhang ist, wie hoch auch immer er konkret sein mag, ungleich verteilt und von vielen Faktoren abhängig. Dazu zählen etwa die Bevölkerungs- und Kaufkraftentwicklung im Einzugsgebiet, die Anziehungskraft des Mikrostandortes und der konkrete Mieter- bzw. Branchenbesatz einer Immobilie. Unabhängig von der spezifischen Ausprägung dieser Faktoren dürften aber praktisch alle Regionen, Lagen und Marktsegmente betroffen sein. Die mutmaßlich einzige Ausnahme ist noch der Lebensmitteleinzelhandel bzw. das gesamte Nahversorgungssegment.
HI HEUTE: Ein Segment, das sich in den kommenden Jahren mit einem überdurchschnittlich stark ausgeprägten Überhang an Verkaufsfläche konfrontiert sehen dürfte, sind Shopping Center, nicht wahr?
Jörg Krechky: Das ist richtig. Hierfür sprechen vor allem zwei Gründe: Erstens nahm die Verkaufsfläche in Shopping Centern in den vergangenen zwei Dekaden um etwa zwei Drittel zu und damit weit stärker als im Einzelhandel insgesamt. Auch wenn es an belastbaren Daten fehlt, deutet das verfügbare Zahlenwerk zumindest darauf hin, dass die Einzelhandelsumsätze in Shopping Centern zwar stärker gestiegen sind als am Gesamtmarkt, allerdings nicht im selben Tempo wie das Flächenwachstum. Folglich ist die Flächenproduktivität mutmaßlich auch in diesem Segment in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken. Zweitens sind in Shopping Centern gerade jene Branchen überrepräsentiert, deren stationäre Umsätze sich in den letzten Jahren besonders schwach entwickelten. Das gilt vor allem für das Bekleidungssegment, wo die Umsätze zuletzt schrumpften.
HI HEUTE: Doch struktureller Verkaufsflächenüberhang ist keineswegs gleichzusetzen mit dauerhaftem Leerstand, oder?
Jörg Krechky: Ja. Für viele Flächen gibt es Alternativnutzungen und verglichen mit zum Beispiel Fußgängerzonen ist die Repositionierung eines Shopping Centers aufgrund des zentralen Managements einfacher umzusetzen. Viele Eigentümer haben entsprechende Maßnahmen ergriffen, zu sehen etwa an dem in den letzten Jahren stark gestiegenen Gastronomieanteil, dem Aufkommen von Pop-up Stores und ähnlichen Entwicklungen. Übergeordnetes Ziel all dieser Maßnahmen ist es letztlich, dem Besucher ein Erlebnis zu bieten, das über das reine Einkaufen hinausgeht. Letzteres bildet aber auch nach einer Repositionierung immer noch den Kern eines Centers. Die Repositionierungsmaßnahmen, egal ob in Form von Foodhall, Ausstellungsfläche oder Achterbahn, sollen Frequenz und Verweildauer erhöhen und dem verbliebenen Einzelhandel so mehr und ausgabefreudigere Kunden zuführen.
HI HEUTE: Für viele Center ist das auch eine Strategie, die Erfolg verspricht. Für manche Center aber ist es im besten Fall eine lebensverlängernde Maßnahme, manchmal aber auch eine vertane Chance für eine grundlegende Repositionierung weg vom Einzelhandel als Kern der Immobilie.
Jörg Krechky: Gerade für jene Center, die bereits heute strukturelle Leerstände aufweisen und die sich mit weiter schwindenden Umsätzen konfrontiert sehen, ist eine Umwidmung womöglich die bessere Option als ein Feintuning. Angesichts der hier skizzierten strukturellen Entwicklungen dürfte dies für einen großen Teil der deutschen Center-Landschaft gelten. So müssen sich unserer Auffassung nach etwa 80 % der rund 500 Shopping Center in Deutschland mit dem Thema Repositionierung in den nächsten Jahren auseinandersetzten – wenngleich Umfang und Ausmaß der erforderlichen Maßnahmen stark variieren dürfte.
HI HEUTE: Was heißt das nun für Bestandshalter und Investoren von Shopping Centern?
Jörg Krechky: Die gute Nachricht ist: Auch für umfangreiche Repositionierungen gibt es ein reichhaltiges Bündel an Optionen. Gerade innerstädtischen Centern sind aufgrund ihrer Lage kaum Grenzen gesetzt. In den meisten Städten besteht bei praktisch allen anderen Nutzungen ein Flächenmangel – angefangen bei Wohnen mit all seinen Ausformungen, über Behörden, bis hin zu Logistik. Aufgrund dieses Mangels sind die Mieten in diesen Segmenten anders als im Einzelhandel in den letzten Jahren teils kräftig gestiegen, so dass sich die marktseitigen Rahmenbedingungen für eine Umwidmung von Einzelhandelsflächen fundamental verbessert haben. So könnte sich die Umwidmung von Einzelhandelsfläche in immer mehr Fällen rechnen und unter Umständen gilt das selbst dann, wenn noch gar kein Leerstand zu verzeichnen ist. Vielerorts dürften die Mieten für andere Nutzungen inzwischen so viel höher als die erzielbaren Einzelhandelsmieten sein, dass eine Umwidmung trotz Umbaukosten zu einer höheren Rentabilität der Immobilie führt. Da die Kaufpreisfaktoren inzwischen für die meisten Nutzungen höher sind als für Shopping Center, profitiert der Kapitalwert ohnehin.
HI HEUTE: Was heißt das nun für Bestandshalter und Investoren von Shopping Centern?
Jörg Krechky: Man muss wissen: Repositionierung ist nicht gleich Repositionierung. Menschen werden auch künftig Orte, Innenstädte und Shopping Center so nutzen, wie sie es möchten. Soll heißen: Die Maßnahmen an einem Standort lassen sich auf einen anderen kaum übertragen. Individuelle Konzepte entlang der Bedürfnisse von Nutzern sind also gefragt. Klingt einfach? Ist es nicht! Doch mit dem richtigen, zum Standort passenden Mix lassen sich auf diese Weise überdachte Quartiere kreieren, in denen sich nicht nur die Nutzer im Center gegenseitig stärken, sondern die auch die Nutzungen in der Nachbarschaft in die Kopplungsketten einbeziehen. Im Idealfall erfährt so die gesamte Mikrolage eine Aufwertung.
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