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02. Oktober 2023

(Miet-)Pacta sunt servanda oder die täglich neuen Hiobsbotschaften vom Bau

RECHTSANWALT DR. RAINER BURBULLA AUS DÜSSELDORF SCHREIBT IN EINEM GASTBEITRAG, WELCHE JURISTISCHEN KONSEQUENZEN DIES ZUR FOLGE HABEN KANN
Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla, Partner der Sozietät Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB in Düsseldorf
Foto: Langguth & Burbulla

Zuletzt gab es vom Bau an sich nur Hiobsbotschaften: Sinkende Genehmigungszahlen, insolvente Projektentwickler, hohe Baukosten und enorm gestiegene Zinsen, Lieferengpässe sowie weitere Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Vor diesem Hintergrund sind Projektentwickler vermehrt dazu übergegangen, bereits geplante Projekte einzustellen oder einstweilen auszusetzen, da die wirtschaftlichen Eckdaten nicht mehr „passen“. Zum Teil versuchen Projektentwickler aber auch, die wirtschaftlichen Eckdaten nachzuverhandeln und die Projektrealisierung schlichtweg davon abhängig zu machen, dass bereits geschlossene (Gewerberaum-)Mietverträge durch Kündigungen/Kündigungsandrohungen infrage gestellt werden und einfach eine höhere Miete verlangt wird. Damit stellt sich die Frage, ob (auch) in Krisenzeiten der Grundsatz gilt, dass geschlossene (Miet-)Verträge verbindlich sind (pacta sunt servanda) oder Einschränkungen gelten.

1.    Anpassung und Beendigung von (Miet-)Verträgen wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

Eine Einschränkung erfährt der Grundsatz der Vertragstreue (pacta sunt servanda) durch die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Als gesetzliche Ausformung des Gedankens von Treu und Glauben ermöglicht § 313 BGB unter bestimmten, im Zweifel eng auszulegenden Voraussetzungen bei Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Vertragsinhalts an veränderte Verhältnisse bzw. sogar eine Beendigung des Vertrages. Auf diese Weise soll ein Ausgleich zwischen dem Bestands- und Erfüllungsinteresse des einen und dem Anpassungs- und Beendigungsinteresse des anderen Teils bezweckt werden. Denkbar ist damit im Grundsatz tatsächlich einerseits eine Anpassung des Mietvertrages in Form des Verlangens einer höheren Miete respektive sogar andererseits eine Kündigung aus wichtigem Grund (§ 313 Abs. 3 bzw. 314 BGB). Dieser Grundsatz unterliegt aber (rechtlichen) Einschränkungen.

a)    Risikoverteilung

Im Rahmen der einschlägigen gesetzlichen Regelungen spielt nämlich zunächst eine wichtige Rolle, welches Risiko sich verwirklicht hat, auf das sich der Kündigende bzw. die Vertragspartei, die eine höhere Miete verlangt (hier: der Vermieter), beruft. Handelt es sich um ein Risiko, das typischerweise beim Vermieter liegt, kann schon aus diesem Grund eine Berufung auf die Regelungen der §§ 314, 313 BGB ausgeschlossen sein.

Herkömmlicherweise verpflichtet sich der Vermieter (Projektentwickler) im Mietvertrag zur Errichtung des Objekts inklusive aller dazugehöriger Schritte (Bebauungsplan, Genehmigungen etc.). Damit hat er alle im Zusammenhang mit der Errichtung des Objekts bestehenden Risiken allein übernommen. Hinzu tritt, dass der Vermieter sich im Mietvertrag im Regelfall keinen „Exit“ ausbedungen hat für den Fall, dass die Baukosten weiter steigen etc.

Im Übrigen gilt, dass die derzeitigen (Gesamt-)Umstände (Nachwirkungen von Corona, Ukraine-Krieg, Zinserhöhungen, Baukostensteigerungen, Personalmangel) zwar auf der einen Seite sehr gravierend sind, auf der anderen Seite ein Unternehmer derartige Risiken aber zumindest bis zu einem gewissen Grad stets einkalkulieren muss. Denn auch wenn sich viele an eine dauerhafte Geltung extrem niedriger Zinsen gewöhnt hatten, war doch bekannt, dass Zinssteigerungen weiter möglich sind, zumal Inflationsgefahren auch vor dem Ukraine-Krieg bestanden, die durch den Ukraine-Krieg nur weiter verschärft wurden (vgl. Martens, in BeckOGK, § 313, Stand: 01.07.2023, § 313 BGB, Rn. 20). Auch kann nicht von einer Erschütterung der Sozialexistenz gesprochen werden, wenn in einem anderen Land Krieg herrscht oder sich eine Katastrophe ereignet und deshalb eine Leistungserschwerung oder -unmöglichkeit in Deutschland eintritt (vgl. Finkenauer, MünchKomm, BGB, 9. Aufl. 2022, § 313, Rn. 7). Das Landgericht Offenburg führt in Bezug auf einen Energieliefervertrag in seinem Urteil vom 26.09.2022 (Az.: 5 O 19/22 KfH) insoweit aus: „[…] Allein aufgrund der Tatsache der zugegebenermaßen erheblichen Erhöhung der Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges ist (die Antragsgegnerin) nicht berechtigt, hieraus einen wichtigen Grund abzuleiten, der zur außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien führt.“

Anders würde sich die Rechtslage freilich darstellen, wenn im eigenen Land ein Krieg ausgebrochen wäre und sich dadurch die wirtschaftlichen Parameter grundlegend verändert hätten, was (glücklicherweise) nicht der Fall ist.

b)    Vertragsanpassung und Vertragsaufhebung 

Vor diesem Hintergrund dürfte die von Projektentwicklern zum Teil bemühte Kündigungsandrohung ins Leere laufen. Denn eine Aufhebung bzw. Kündigung des Mietvertrages stellt die ultima ratio dar (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2013 – XII 101/21) und kommt daher nur im äußersten Fall in Betracht, wenn dem Vermieter selbst bei einer (theoretischen) Anpassung des Mietvertrags ein Festhalten am Mietvertrag gänzlich unzumutbar wäre. Erklärt ein Vermieter unter Berufung auf die veränderten Gesamtumstände die Kündigung, sollte der Mieter der Kündigung dann einfach widersprechen.

c)    Darlegungs- und Beweislast 

Kommt es in so einem Fall sodann zu einem Rechtsstreit, muss der Vermieter das Vorliegen der Voraussetzungen eines Kündigungs- bzw. Anpassungsrechts aus §§ 313, 314 BGB darlegen und beweisen. Ein abstrakter Vortrag dazu, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenverhältnisse aufgrund von Kostensteigerungen, der Inflation und der gestiegenen Baukosten geändert hätten, ist insoweit nicht ausreichend, um ein Anpassungsrecht bzw. Kündigungsrecht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der Vermieter ganz konkrete Zahlen vorlegen und darlegen, warum ihm in der Gesamtbetrachtung ein Festhalten am unveränderten Mietvertrag (zu der vereinbarten Miete) nicht möglich ist.

2.    Erfüllung eines Mietvertrages 

Ebenfalls in der Praxis ist das oben bereits angesprochene Phänomen zu beobachten, dass eingestielte Projekte (mit abgeschlossenen Mietverträgen) von Projektentwicklern teilweise nicht realisiert werden. Dann stellt sich aus Mietersicht die Frage nach den Chancen auf Erfüllung des Mietvertrages, also auf Realisierung des Projektes. Aus rechtlicher Sicht steht dem Vermieter, wie zuvor ausgeführt, kein Recht zu, sich vom Mietvertrag einseitig zu lösen. In Betracht käme rechtlich allenfalls noch eine Berufung des Vermieters auf das Institut der Unmöglichkeit (§ 275 BGB). Insofern gelten aber erneut die obigen Erwägungen. Dem Vermieter ist es objektiv weiterhin möglich, das Projekt zu realisieren, lediglich zu veränderten (teureren) Konditionen. Die Berufung auf eine sog. wirtschaftliche Unmöglichkeit scheidet daher im Regelfall aus.

3.    Zusammenfassung und Ausblick 

Bestehen also aus rechtlicher Sicht für Vermieter wenig gute Argumente, eine Mieterhöhung bzw. eine Mietvertragsbeendigung wegen der geänderten wirtschaftlichen Parameter durchzusetzen, ist auf der anderen Seite die Praxis zu beobachten, dass Projektentwickler zuletzt vermehrt Insolvenz angemeldet hatten bzw. Projekte einfach „liegen lassen“. Abgesehen von langfristigen Rechtsstreitigkeiten stellt sich für Mieter dann die Frage, ob man nicht in einem gemeinsamen Gespräch nach Lösungsmöglichkeiten in Form einer einvernehmlichen Vertragsanpassung suchen sollte. Derartige Lösungsmöglichkeiten setzen dann allerdings voraus, dass gewissermaßen mit offenen Karten gespielt wird und Vermieter ihr Zahlenwerk offenlegen und sich nicht schlichtweg auf eine wirtschaftliche Veränderung der Rahmenverhältnisse berufen, wie es derzeit nicht selten zu beobachten ist.

Langguth & Burbulla mit Sitz in Düsseldorf beraten mit zwei Partnern und vier Rechtsanwälten Vermieter, Projektentwickler, Bestandshalter von Immobilien und Mieter in allen Lebenszyklen der Immobilie und in allen Bereichen des Immobilienrechts. 

www.langguth-burbulla.de


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