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24. August 2023

Gesellschaftliche Veränderungen bestimmen das Ladendesign

HI HEUTE-INTERVIEW MIT KLAUS SCHWITZKE, GESCHÄFTSFÜHRENDER GESELLSCHAFTER DER SCHWITZKE GMBH IN DÜSSELDORF
Klaus Schwitzke (Foto: Schwitzke GmbH)

Die Zeit der einheitlichen Gestaltungstrends im Ladenbau ist vorbei – die neuen Megatrends führen zu unterschiedlichen Gestaltungsansätzen. HI HEUTE-Chefredakteur Thorsten Müller führte dazu ein Interview mit Klaus Schwitzke. Der Diplom-Design ist gemeinsam mit seinem Bruder Karl geschäftsführender Gesellschafter der Schwitzke GmbH in Düsseldorf. Hier verantwortet er die Entwicklung, Gestaltung und Realisierung erfolgreicher Marken.

 

HI HEUTE: Herr Schwitzke, welche Bedeutung kommt eigentlich den wirtschaftlichen Verhältnissen der Menschen in Bezug auf das zukünftige Ladendesign zu?

Klaus Schwitzke: Eine sicher nicht geringe. Zwei Teile der Gesellschaft mit unterschiedlichem Konsumverhalten stehen sich gegenüber: die Zielgruppe, die preisbewusst einkauft, wie z.B. junge Familien, die den reinen Bedarf decken oder der/die Alleinstehende auf der Suche nach neuesten Trends zu erschwinglichen Preisen. Einzelhandelskonzepte, die nach Preisführerschaft streben, bedienen diese Kundenerwartung und das wirkt sich auf die Ladengestaltung aus. Es wird alles weggelassen, was nicht nötig ist. Das Design wird von Funktion und Kosten getrieben. Inszenierung: Fehlanzeige! Onlinehandel und Omnichannel spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Die Differenzierung findet in diesen Einzelhandelsformaten durch graphisch-kommunikative Elemente (Bildsprache, Merchandisingtechnik, Farbigkeit, Schriften) statt. Die Effizienz bestimmt das Design.

Zum anderen wird die Zielgruppe der Erlebniskäufer anspruchsvoller. Hier gilt die Leitidee: entdecken, inspirieren, unterhalten – als Marktprinzip oder Einkaufsstraßen mit kleinen Läden. Nachhaltige Erfahrungen und individualisierte Services beindrucken die Kund:innen. Die Gestaltung muss einzigartig und einprägsam sein. Die Klaviatur reicht von der galerieartigen Inszenierung (Gentle Monster) über das Zelebrieren von Genuss (Starbucks Roastery) bis hin zu Hospitality-Formaten (Restoration Hardware). Der Exklusivität und dem Streben nach Einzigartigkeit werden keine Grenzen gesetzt. Marke und Storytelling ist King!

HI HEUTE: Verlangt nicht auch der demographische Wandel nach neuen Antworten?

Klaus Schwitzke: Ja. Die älterwerdende Gesellschaft wird den Handel spürbar verändern und zu einer Verknappung von Fachkräften führen. Effizienzgetriebene Einzelhandelsformate werden den Einsatz von Mitarbeiter:innen weiter reduzieren. Erste Restaurantketten demonstrieren es – mit Kochrobotern. Läden ohne Personal werden unsere Handelslandschaft prägen. Sensorik wird bei der Planung eine immer größere Rolle spielen. Die Automatisierung der Warenbeschaffung und -bestückung hält Einzug. Der Check-out wird als Teil eines nahtlosen Einkaufserlebnisses ohne Kassen oder Self-Scan-Stationen stattfinden. Die Orientierung, Produktinformation und Bewertung von Produkteigenschaften werden virtuell bereitgestellt.

Wir treffen allerdings auch auf eine relevante Zielgruppe, die aus dem Berufsleben ausgeschieden ist und Konsumbudget und Zeit hat. Sie wünscht sich eine angenehme Begegnungsstätte mit besonderer Atmosphäre, mit exzellentem Service und Veranstaltungen zum Mitmachen. Die menschliche Interaktion ist das, was den Einkauf zum Erlebnis macht. Mit mehr Personal, die diesen Ansprüchen gerecht werden. Der Kampf um Talente mit sozialer Kompetenz verschärft sich. Auch hier muss Design dem Rechnung tragen und dem Mitarbeiter eine adäquate Bühne bieten.

HI HEUTE: Hat die 1A-Lage ausgedient?

Klaus Schwitzke: Der Laden als Informationsquelle ist nicht mehr erste Wahl. Die Konsument:innen informieren sich heute über Social Media und Onlineplattformen. Damit wird ein steigender Anteil der Einkäufe online getätigt. Mit der Folge, dass Frequenzen in den klassischen Einkaufslagen weiter abnehmen werden. Die neuen Hochfrequenzlagen sind Verkehrsknotenpunkte oder frequenzstarke Fachmarktzentren, für Convenience-Konzepte oder Discountmärkte bieten sie eine neue Heimat. Das Design wird Bequemlichkeit und Zeitersparnis Rechnung tragen. Hier sind ein klares Profil, gute Orientierung und einfache Abläufe das Erfolgsrezept. 

Die Lagen für Erlebniskonzepte werden sich ausdifferenzieren und z.T. in Stadtquartiere abwandern. Die gestalterische Ausformulierung des lokalen Charakters wird wichtiger und anspruchsvoller. Es entstehen: regionale Konzepte, die sich jeglicher digitalen Technik, mit Ausnahmen der Social Media Aktivtäten, enthalten und sich durch den persönlichen Charakter profilieren sowie Omnichannel-Konzepte, die den Laden zum Ort der Begegnung, der Erfahrung und der Services (Showrooming) machen und der eigentliche Kaufabschluss online stattfindet. Diese Storeformate bieten viel Raum, Atmosphäre und Inspiration.

HI HEUTE: Welche Rolle spielen Umweltkrise und nachhaltiges Wirtschaften?

Klaus Schwitzke: Nachhaltiges Storedesign hat uns der Lebensmitteleinzelhandel auf der grünen Wiese vorgemacht – als eigener Immobilienentwickler. Dazu gibt es keine Alternative, denn getrieben durch EU-Richtlinien verlieren die nicht ESG-gerechten Immobilien an Wert. Zertifizierte Nachhaltigkeitsprojekte (LEED, DGNB, BREEAM etc.) ändern nichts daran, dass in der Regel immer noch erst gebaut, dann abgerissen und schließlich entsorgt wird. Wir müssen zu einem völligen Umdenken kommen. Nicht nur recyclen, sondern die Wiederverwertung aller Materialien im Sinne einer echten Kreislaufwirtschaft muss umgesetzt werden. Der nachhaltige Materialeinsatz fordert eine andere Gestaltung. In Planungsprozessen wird bei der Gestaltung von Läden ein digitaler Zwilling entstehen, der Materialeinsatz und Wiederverwertbarkeit dokumentiert. Bauen ist der größte Verursacher von COEmission – Bauen für Einzelhandel muss hier seinen Beitrag leisten.

 

HI HEUTE: Wie sieht es in Sachen Individualisierungaus? Endstation Sehnsucht?

Klaus Schwitzke: Wir haben zwei Jahrzehnte der Globalisierung hinter uns – geprägt von Reisetätigkeit und Digitalisierung. Wir essen Sushi, tanzen Tango und reisen die Bilder ab, die uns per Algorithmus zugespielt werden. Das hat zu einer globalen Ästhetik geführt, die unser aller Konsumverhalten harmonisiert hat. Ist die Sehnsucht nach dem Fremden und der Einzigartigkeit übersättigt? Der Wunsch nach Regionalität, nach Heimat, nach Vertrautem wird zum neuen Sehnsuchtsort. Slow Retail hat viele Ausprägungen. Der Erfolg von Hofläden ist eine Spielart davon. Wiederverwendung, Improvisation, Nutzung von bestehenden Materialien bestimmen das Design. Auch andere Einzelhandelsformate spiegeln den Heimatgedanken wider und sind an ihren lokalen Standorten erfolgreich: Läden für Kultureinrichtungen, Fanshops etc. Diese Orte müssen gestaltet werden - authentisch, nahbar, vertrauensvoll mit einer klaren Haltung. Individualität statt Reproduktion.

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