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24. März 2020

„Alte Tugenden des Kaufmanns werden jetzt wieder wichtiger“

HI HEUTE EXKLUSIV-INTERVIEW MIT MARC RAMELOW VON DER GLEICHNAMIGEN MODE- UND MARKENHAUS-KETTE
Marc Ramelow
Die traditionsreiche Mode- und Markenhaus-Kette Ramelow (primär in Norddeutschland und Sachsen-Anhalt vertreten) arbeitet trotz der seit rund zwei Jahren angespannten Situation im Textilbereich sehr erfolgreich. Nun aber musste sie, wegen der neuen Corona-Bestimmungen, vorübergehend ihre Filialen schließen. HI HEUTE wollte von Inhaber Marc Ramelow wissen, wie er mit der aktuellen Situation umgeht und die Konsequenzen für die Zukunft sieht – auch mit Blick auf das Online-Geschäft.

 

HI HEUTE: Herr Ramelow, Ihre neun großen Mode- und Markenhäuser dürfen vorerst nicht mehr geöffnet werden. Womit beschäftigen Sie sich ganz aktuell? Wie sieht Ihr Arbeitstag aus – oder machen Sie  „Urlaub“ daheim? Marc Ramelow: Die vergangene Woche war Krisenmanagement „at its best“. So etwas hätten wir uns vor vier Wochen niemals vorstellen können. Am Montag fiel die Entscheidung, alle Filialen ab Dienstag 17 Uhr zu schließen (wir wollten nicht länger auf Infos der einzelnen Länder warten), parallel alle Themen zur Kurzarbeit lernen (haben wir noch nie vorher gemacht) und dann am Dienstag mit möglichst vielen Mitarbeitern (350 Personen) eine Vereinbarung zur Kurzarbeit treffen. Danach ging es vornehmlich um Fragen der Warenbelieferung und der Vereinbarungen als Mieter und Vermieter, da wir in unseren Immobilien auch diverse Mieter haben. Besonders hilfreich in dieser Zeit ist unser digitales Social Intranet, für das wir die Software von beekeeper nutzen. So bleiben wir mit allen Mitarbeitern im direkten Kontakt und können auch zeitnah auf Sorgen, Ängste und Anregungen reagieren. Aktuell ist unser Fokus, die noch arbeitenden Teams, wie Einkauf und Marketing, ans Home Office zu gewöhnen, auch hier helfen uns unsere Erfahrungen im Arbeiten mit Google Drive und Zoom Calls. HI HEUTE: Sind die jüngsten getroffenen Maßnahmen der Politik aus Ihrer Sicht richtig oder wird noch vieles übersehen? Marc Ramelow: Für uns alle sind die täglich neuen Rahmenbedingungen eine Herausforderung. Wir alle müssen erstmal lernen, mit dieser Dynamik umzugehen – in unserer Arbeit wie auch privat. In diesem Umfeld macht die Politik für meinen Geschmack im großen und ganzen einen super Job! Was für ein Glück, dass wir eine Chefin in der Regierung haben, die dies mit ihrer eigenen Kraft und Ruhe souverän managt. Momentan wird jeder Lobbyist versuchen, sich bestmöglich zu platzieren. Im Handel ist das kaum durchschaubar. Welcher Betrieb ist wirklich unterstützungswürdig, wer ist eigentlich Mittelstand? Gilt das auch z.B. für die Signa-Unternehmen wie Karstadt und Kaufhof, wenn mit Fördermitteln Mieten bezahlt werden, die am Ende bei Investoren im Ausland landen? Das alles wird einige Zeit dauern. Ich hoffe daher, dass die kommenden Tage schnelle Entscheidungen bringen, die gerade die angespannte Liquidität im Handel schnellstens unterstützen. Gerade im Bereich Mode sind die Läger jetzt maximal voll und manche Rechnung ist noch nicht bezahlt. HI HEUTE: Ab welchem Zeitpunkt würden Sie Ihre geschäftliche Situation als existenzbedrohlich ansehen und welche Idee zur Verhinderung der finanziellen Katastrophe hätten Sie gegebenenfalls? Marc Ramelow: Wir haben zum Glück in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und daher ein gewisses finanzielles Polster. Aber das hält auch nicht ewig und keiner weiß heute, wie es denn wirklich nach dem Ende des Shut Down weitergeht. Neben einer realistischen Worst Case-Planung für dieses Jahr denken wir daher bereits an die möglichen Auswirkungen für 2021. Nach heutiger Sicht werden wir erst 2022 wieder in „normale“ Umstände kommen, aber wer weiß, auf welchem Niveau das Ganze sein wird. Wir müssen uns daher auf ein längeres Krisenmanagement einstellen; da werden die alten Tugenden des Kaufmanns wieder wichtiger.

 

HI HEUTE: Wie sehen Sie die durch die Corona-Krise beeinflusste Entwicklung des Verhältnisses Online/Offline-Shopping? Glauben Sie, dass nach Beendigung der Krise das stationäre Geschäft noch mehr abnehmen wird oder ist vielleicht sogar das Gegenteil der Fall? Marc Ramelow: Nach meinen Informationen leiden die Fashion Online-Shops auch. Das mag mit einer gewissen Schocksituation der Kunden zu tun haben. Ich denke, in wenigen Wochen werden die Online-Umsätze deutlich ansteigen, sicher abhängig, wie lange der stationäre shut down anhält. Aber vielleicht denkt die Politik am Ende auch nochmal an die vielen Paketzusteller und überlegt, ob das in der aktuellen Phase wirklich notwendig ist. Wenn wir wieder unsere Geschäfte öffnen dürfen, glaube ich fest daran, dass viele Kunden wieder zu uns kommen werden. Unsere Kernleistung als Händler ist ein Erlebnis in unseren Häusern, der soziale Kontakt mit netten Menschen, das Gefühl des Bummelns und Entdeckens, dass in dieser Form nur stationär Glücksgefühle vermittelt. Mit guter Laune kaufen Menschen immer auch mehr – daher planen wir bereits an Details für tolle Partys in unseren Häusern. Ganz ehrlich, das macht auch mehr Spaß als tagtägliches Krisenmanagement. Wir sind ein fast 150 Jahre altes Traditionsunternehmen, haben zwei Weltkriege überstanden – wenn wir uns das bewusst machen, dann schaffen wir auch diese Corona-Krise.

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