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23. Mai 2017

Discount-Riese Aldi macht sich krass!

DEUTSCHLANDS LEBENSMITTLER NUMMER EINS ZIEHT MIT EINFACHEM EINKAUFEN UND EMOTION GEGEN REWE, EDEKA UND LIDL ZU FELDE.
Berichtet online für Aldi Süd von renommierten Szenelokalen und Weingütern: Starköchin Sybille Schönberger. Foto: ALDI Süd
„Wenn ihr das Gefühl habt, ihr kommt nicht vorwärts, dann bewegt euch!“, feuert Pro-7-Moderator Daniel Aminati Aldis Ladenmannschaft im Viral-Clip an. Um sie „krass“ zu machen, wird der Markt alsdann zum Trainingsparcours und seine Regale nach „sauberem“ Essen gescannt. „30% ist Sport, 70% die saubere Ernährung“, belehrt der Selfmade-Muskelprotz. Wer es Aminati gleichtun will, konnte seine Online-Workouts samt Outfit im Mai bei Aldi-Süd kaufen.

 

Einfach einkaufen neu denken Deutschlands Lebensmittel-Platzhirsch motiviert Kunden zur Bewegung und sich gleich mit. Das ist spätestens seit Herbst klar. Damals brach der aufgespaltene Konzern mit zwei Paradigmen: Erstmals seit Gründung 1962 schaltete er TV-Werbung in Deutschland. Und Aldi Nord und Süd warben gemeinsam mit dem Spot „Einfach ist mehr“. Der zeigt Kinder in selbstkreativen Spielewelten, die Supermärkte als entbehrliche Zeitfresser entlarven und für die Besinnung aufs Wesentliche eintreten. Neben TV, Radio und Plakaten lässt man den Simplifizierungsappell auch durch den Berliner Rapper Fargo transportieren. Sein eigens komponierter Song „Einfach sein“ macht sich fürs Wiedererlernen des Schlichten stark und wirbt zugleich für Aldis Musik Downloads. Weiteres Novum ist das Augenzwinkern, mit der Deutschlands Preisführer sein unschlagbares Leistungsverhältnis kommuniziert. Zumindest im Kinospot „Götter“: Gemaßregelt vom Controller entdeckt Zeus Aldi, dessen erschwingliche Leckereien es dem Olymp-Chef ermöglichen, weiter Dekadenzpartys zu feiern. Aldi Süd als Food-Connaisseur Alle Werbewege geht das Aldi-Imperium nicht gemeinsam. In ihrem Presseportal informiert Aldi Nord wie eh und je über seine als „gut“ bis „sehr gut“ getesteten Produkte, während sein südlicher Bruder mit bemerkenswerten Aktionen Ernährungskompetenz aufbaut: Im Online-Spirituosen-Shop meine-weinwelt.de berichten von Starköchin Sybille Schönberger moderierte Video-Reportagen von renommierten Szenelokalen und Weingütern. Parallel zur Pro-Wein-Messe Düsseldorf bot der Händler seine guten Tropfen im Pop-up feil und lies Weltmeister-Sommelier Markus Del Monego degoutieren. Und im Mai legte ein hippes Schiffscontainer-Bistro im Medienhafen Köln an. Für drei Monate. Danach zieht es in andere Großstädte, um Streetfoodkoch Robert Marx aus Aldi-Produkten Menüs für 7,99 Euro zaubern zu lassen. Selbstredend wird mit den Maßnahmen kommuniziert: Aldi ist guter, erschwinglicher Lifestyle. Das soll sich auch in den Geschäften zeigen. Ein Jahr ist es her, da kündigten die Südaldianer an, edler im Design und hilfreich durch Services wie Kundentoiletten oder Kaffeeautomaten zu werden (sh. In Schönheit sparen). Aldi Nord begann bereits vor fünf Jahren damit, Läden ein wertigeres Aussehen zu verleihen. Ist das Paletten-Imperium noch zu retten? „Discount ist die Kunst des Weglassens“. So jedenfalls definierten es die Gebrüder Aldi, als sie das Preisjäger-Paradies erfanden. Weil man alles so einfach wie nur möglich machte, konnte Aldi unschlagbare Preise bieten, ohne selbst auf Margen zu verzichten. Nun Unsummen in Werbung und Ladendesign zu investieren, gefährdet die Preisführerschaft, warnen deshalb überzeugte Discountpuristen. Die Erneuerungsbefürworter halten dagegen: Günstig und gut allein reiche modernen Kunden nicht aus. Um relevant zu bleiben, müssten Billiganbieter sich neu erfinden! Warum? Weil sich die Gesinnung der Konsumenten wandelte. Das belegen GfK-Zahlen: Früher dominierte der Preis die Produktwahl. 2012 zog er mit der Qualität gleich. Heute sind schon 60% der Käufer bereit für Besseres mehr zu zahlen. Weil Supermärkte fixer mit Bio- und Regionalangeboten reagierten, profitierten sie ungleich stärker vom Trend. Aber Umsatzverschiebungen zwischen Lebensmittelformaten beobachtet der GfK-Konsumexperten Dr. Wolfgang Adlwarth schon seit 2009 immer wieder. Ob Frischeoffensive, Ausbau von Discount-und Eigenmarken oder emotionalere Werbung – all das schürte den Absatz der Vollsortimentler. „2015 war für Aldi Deutschland ein schwaches Jahr, weshalb der Konzern verstärkt Herstellermarken listete. 2016 erwirtschaftete Aldi Nord, vor allem dank modernisierter Filialen, ein starkes Umsatzplus. Aldi Süd kam, trotz Markenaufrüstung, eben noch in die Zuwachszone“, analysiert Adlwarth, warum die Marke vor allem im Süden dringend tätig werden musste. Nur wie gut passt der neue Auftritt zum kargen Preisparadies? Demokratisierung der Esskultur Bei Ogilvy & Mather nachgefragt, die gemeinsam mit Oliver Voss Aldis Werbeetat verwalten, stößt der Verwässerungsverdacht auf wenig Verständnis: „Wir machen die Marke erlebbar und kitzeln emotionale Benefits heraus, die immer schon da waren!“, beschreibt Petra Koch, Ogilvys Client Serviceberaterin für Aldi. Sortiment und Läden seien und blieben überschaubar, Kunden könnten blind auf Qualität zum günstigsten Preis vertrauen. Das entlaste. „Aktionen wie das Bistro unterstreichen die Wertigkeit des Angebots“, markiert sie den Unterschied. Deshalb gibt’s hier täglich nur ein Menü. Deshalb wird „einfach lecker“ und nicht Haute-Cousine gekocht. Deshalb ist die Einrichtung mit schlichten Holztischen und Lampen aus Aldi-Flaschen simpel gehalten - selbst wenn sie stylisch wirkt. „Das Bistro überträgt das Aldi-Prinzip auf neue Bereiche. Gewissermaßen demokratisiert das Unternehmen den Luxus - vor 20 Jahren mit Champagner, vor zehn mit Laptops, nun mit Esskultur“. Aber wie steht es um das Discountergesetz: „Von jedem Produkt nur eins“? Simplizität, die der Einfach-ist-mehr-Spot anpreist, während Aldi immer mehr Eigenprodukte um Markenpendants ergänzt. „Ins Regal kommt, was für Kunden relevant ist! Dafür verschwindet weniger Nachgefragtes wieder“, skizziert Koch die konsequente Sortimentspolitik. Mit nach wie vor nicht mehr als 2000 Artikeln sei das Angebot deutlich kleiner als im Supermarkt. Laut GfK-Consumer-Panel gewinnen die wertigen Handelsmarken Umsatz, während die Billigen oder schwache Herstellermarken tendenziell verlieren. Nachfragemuster, die erklären warum Aldi starke Marken listet und zugleich die Qualitätsaura seiner Hausprodukte stärkt. „Bewusste Ernährung ist eine Volksbewegung und Aldi seit jeher der Volksversorger. Auf ihn ist Verlass. Deshalb ist es konsequent, dass Aldi dem Zeitgeist der bewussten Ernährung nun, durch Veredelung und Verjüngung, entgegenkommt, um die breite Masse auf die nächste Stufe zu heben“, begrüßt Nicole Hanisch, Mitgeschäftsführerin des Marktforschungsinstituts rheingold, die Aufwertung. Was das Image gefährdet: Um unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen, kommuniziert Aldi zu viele unterschiedliche Botschaften parallel: Ein prassender Zeus, der sich den Einkaufswagen vollpackt, steht im Widerspruch zur Besinnung aufs Wesentliche, wie es das Bistro, Amanti oder der Einfach-ist-mehr-Spot suggerieren. Lässt man Umsatz als Maßstab gelten, goutieren Konsumenten den neuen Kurs. Im ersten Quartal 2017 ermittelte die GfK 5,6% Plus für Aldi und damit fünfmal mehr als bei den Supermärkten. Wobei hochwertigere Eigenmarken deutlich zum Auftrieb beitrugen. Discounter als Versuchslabor „Discounter setzen verstärkt auf eine wertigere Positionierung. Werblich und in der Markendehnung wird derzeit viel ausprobiert. Von Premiumangeboten wird aber nur das bleiben, wofür Kunden bereit sind zu zahlen“, prognostiziert der Handelsberater Dr. Johannes Berentzen von Wiesenhuber & Partner. Nicht bei jeder Neuerung stimmt das Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Das dürfte seit Februar klar sein, als die Schwarzgruppe Lidl Vorstand und Kopf der Modernisierung Sven Seidl schasste – trotz Umsatzplus und obwohl Lidl Aldi im Kundenmonitor erstmals von Platz eins verdrängte.

 

Da sich Schwarzgruppen-Chef Klaus Gehrig mehr Kostenbewusstsein wünscht, besinnt sich Aldis härtester Konkurrent wieder aufs schlichtere Einkaufen sowie den Ausbau des Auslands- und Onlinegeschäfts. Die angekündigte Modernisierung des Bestands verwarf man; die Expressshops – Abholmärkte mit Frischeangebot – wurden kurz vorm Launch gestoppt und imageförderndes Sponsoring gestrichen. Was vorerst vom Wandel bleibt, sind schickere Neubauten, herzergreifende Spots wie „Mehr Freude für Alle“ und die Kampagne „Du-hast-die-Wahl“, die teure Marken mit günstigen eigenen vergleicht.  Kann es also sein, dass Aldi doch sein Geschäftsmodell konterkariert? „Entscheidend ist, ob die Positionierung Platz genug für einen Harddiscounter lässt“, differenziert Berentzen und rät, Netto, Norma und Penny im Blick zu behalten.
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