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02. Juni 2016

Aldi, Lidl & Co.: In Schönheit sparen

DISCOUNTER TRAGEN IHREN KAMPF UM KUNDEN ZUNEHMEND ÜBER SCHICK UND SERVICE AUS. IST DAS DER ANFANG VOM ENDE DER BILLIGHEIMER?
Besonders schick sind Aldis australische Testmärkte. Ein Grund: Der Anteil gutverdienender Kunden scheint in Down Under deutlich höher. Foto: Aldi Australien
Waitrose oder Lidl? In einem Teststore experimentiert der Discounter mit einer noch wertigeren Formensprache. Foto: Lidl
Textilfilialist Takko punktet seit 2014 mit warmer Holzoptik, Lichtakzenten, wertiger Kassen- und Kabinengestaltung sowie abwechslungsreicher Warenpräsentation. Der Role-Out in den 1850 Filialen ist im Gange. Foto: Takko
2008 schrieb Kodi Discount-Geschichte. Der Oberhausener Haushaltswarenanbieter war der erste, der sein Sortiment ungewohnt wertig in seinen nunmehr 250 Filialen präsentierte. Foto: Kodi

Preis allein genügt nicht. Es kommt darauf an, Kundenwünsche zu erfüllen – könnte man mit Blick auf den ungewohnten Schick meinen, der sich auf dem Verkaufsparkett der Niedrigpreisler breitmacht. Mittlerweile gibt es keine große Kette mehr, die nicht daran arbeitet, ihr Ramschimage abzuschütteln. 2009 eröffnete Kodi den Verhübschungsreigen, im Mai stellte Aldi-Süd seine Designoffensive vor, der alle Filialen in den nächsten drei Jahren folgen sollen.

Billiges kann begehrlich sein!

Unausgesprochen folgt die Umgestaltungswelle dem Motto: Aufräumen und Platz schaffen, damit Produkte besser zur Geltung kommen. Und so werden Regale flacher, Warengänge breiter und Decken höhen. Schale Neonstrahler weichen Tageslicht oder so warmer wie energieeffizienter Beleuchtung. Üsselige Wühltische schickt man zugunsten wohlgeordneter in die Verbannung. Und klar nach Formen, Farben oder Themen geordnet, präsentieren sich die Waren begehrlicher denn je.

 

Die neue Ästhetik ist aber auch ein Abschied von grellen Farben und harten Kontrasten: Grau hält - von KiK-Silber bis Lidl-Anthrazit - Einzug in Logos und Läden. Und wo einst Deckenhänger und Fototapeten verwirrten, weisen moderne Schriften oder eingängige Symbolbilder über den Warengruppen Kunden schnell und intuitiv den Weg.

Das Internet als Erwartungstreiber

Billig sein, aber nicht so aussehen!, lautet das neue Paradigma der Pfenningfuchser-Läden. Warum, erklärt der Dr. David Bosshart, Chef des handelsrenommierten Gottlieb Duttweiler Instituts: „Das Internet erzieht Konsumenten in einem atemberaubenden Tempo zu höheren Erwartungen“. Um die Gunst ihrer Kunden nicht zu verlieren, musste der Non-Food-Sektor Atmosphäre in seine unterirdische Ladengestaltung bringen. Der Food-Sektor hat darüber hinaus noch die Aufgabe, die wachsenden Ansprüche an Produktqualität zu bedienen. Frische, Natürlichkeit und Regionalität sind Trends, denen sich heute keiner im Lebensmittelmarkt entziehen kann, so der Marktanalyst.

Seine Prognose: Je mehr der Onlinehandel die Umsätze eines Segments erschüttert, um so eher werden stationäre Händler dem Beispiel von Fast-Retailing-Pionieren wie Zara und H&M folgen - Ladenexpansion drosseln, Onlinekanal massiv ausbauen. Dazu passt, dass Kodi, Kik oder auch Takko mittlerweile Onlinestores betreiben. Bei Lebensmitteln, wo die digitale Konkurrenz noch wenig Umsatz abzwackten, schreitet die Supermarktisierung weiter voran. Dafür spricht das jüngste Beispiel Aldi-Süd: Früchte präsentieren sich marktähnlich auf holzverkleideten Kisten, gut ausgeleuchtet wird das Weinregal zum Hingucker. Und weil mit dem Sortiment die Verweildauer im Laden steigt, wird die „Filiale der Zukunft“ Kundentoiletten, Sitzbänke oder Kaffeeautomaten haben.

Im Lebensmitteldiscount erfasst die Modernisierungswelle weit mehr als das blanke Verkaufsparkett: Öffnungszeiten passen sich denen der Supermärkte an. Aldi Süd lässt Jette Joop Textilien entwerfen und bietet Weine im Onlineverkauf; Lidl spannt Sterneköche zur Menüzubereitung ein und übernahm den angeschlagen Berliner Kochboxen-Versender Kochzauber; Penny fährt mit seinem Take-Away Sortiment im Foodtruck zu Kunden hin, führt Eier von Hühnern mit ungekürztem Schnabel und geht gegen die Wegwerfgesellschaft mit “Bio-Helden“ vor – aus der Verkaufsnorm fallendes Obst und Gemüse, das hier angeboten wird.

Verrat an der Erfolgsformel

Vor 40 Jahren offerierte ein Discounter rund 1200 Produkte, heute sind es 2250, erhob das EHI Retail Institut. Und bot man im 2001 Waren auf durchschnittlich 525 Quadratmeter feil, sind es nun 771. Wobei Lidl und Aldi-Süd mit mittlerweile 872 bzw. 885 Quadratmeter die größten Filialen betreiben, und sich so stetig den 975 Quadratmetern des Supermarktdurchschnitts nähern.

Der Preis, den die Händler für diese Formatsausdehnung zahlen ist ein Profilverlust. Denn als Aldi 1962 in ihre unvergleichlich erfolgreiche Preisschlacht aufbrach, hieß der Schlachtruf „Discount ist die Kunst des Weglassens“. Regeln wie: nur eins von jedem Produkt, nichts schnell Verderbliches oder Verkauf aus dem Versandkarton, sparten den Gebrüdern Aldi so viel Betriebskosten, dass sie die Waren ohne Margenverzicht unschlagbar günstig abgeben konnten. Doch jede Erweiterung von Sortiment oder Service, lässt diesen Vorteil schrumpfen.

Und so greift die Marktaufteilung Teures und Qualität beim Supermarkt, Billiges beim Discounter schon lange zu kurz. Erste eroberten sich mit der Ausreifung ihrer Discount-Angebote, gepaart mit Auswahl und Service, verlorengegangene Umsatzanteile zurück. Laut EHI lag der 2015 bei 28,8 % und damit 2,2% höher als 2009. Im gleichen Zeitraum sank bei Letzten der Anteil um 0,6 % auf 45,6%. Frei nach dem Motto ’Der Discounter schlägt zurück’ lässt deren Design- und Serviceoffensive, die Grenzen zwischen den Formaten nun gänzlich verschwimmen.

Vom Verschwinden der Lebensmittel-Discounter

Rewe-Chef Alain Caparros prognostizierte jüngst im Welt-Interview, dass die Discounter in spätestens fünf Jahren verschwunden sein werden. Ein massenhaftes Filialsterben scheint damit aber nicht gemeint. „Casparros ’Frohlocken’ markiert das Ende der Zeiten, in denen am Rande der Handelsmargen gekämpft wird. Nicht die Marke Aldi oder Lidl, sondern ihre Zeit als Hartdiscounter steht zur Disposition“, interpretiert Marco Atzberg aus der Geschäftsleitung des Europäischen Handelsinstituts. Softdiscounter-Formate wie Rewes Supermarktochter Penny oder Edekas Netto hält er sehr wohl für überlebensfähig. Was hoffentlich bald Handelsgeschichte sein wird sind ruinöse Preiskriege, wie sie Aldi kürzlich erst wieder durch Einlistungen von Markenartikeln in der gesamten Branche lostrat.

 

„Billig allein funktioniert selbst im Heimatland der Lebensmittel-Discounter nicht mehr“, bekräftigt Bosshart den Markttrend und prognostiziert den Formaten einen einschneidenden Wandel: „Discounter sind die Supermärkte von morgen, während sich trendsetzende Lebensmittelläden wie die Hiebers oder Dornseifers zu den künftigen Gastwirten entwickeln.“ 

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