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13. Februar 2025

„Nicht nur in Stadtplanung denken, sondern die Stadt vom Handel her begreifen!“

EXKLUSIV-INTERVIEW MIT DR. CHRISTOF GLATZEL (BÖNING GLATZEL KLUG REAL ESTATE)
Dr. Christof Glatzel
So wird die neue Monheimer Innenstadt (Blick vom Monheimer Tor) aussehen.
Visualisierung: Heine Architekten

Wenn Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft gemeinsam ein glaubwürdiges Ziel und eine Umsetzungsstrategie entwickeln, können für eine Stadt Chancen entstehen. In diesem Wissen hat Monheim im Rheinland im Jahr 2019 die Arbeitsgemeinschaft der Boening Glatzel Klug Real Estate GmbH und Heine Architekten mit der Umgestaltung der wesentlichsten Innenstadtimmobilien beauftragt. Im Interview mit HI HEUTE-Chefredakteur Thorsten Müller erzählt Dr. Christopf Glatzel, was sich inzwischen alles getan hat und natürlich auch, wie es weitergehen wird. 

HI HEUTE: Die Monheimer Stadt-Revitalisierung, an der ihr Unternehmen maßgeblichen Anteil hat, ist bereits massiv vorangeschritten, aber noch nicht vollendet. Was ist zuletzt passiert und was steht noch an?

Dr. Christof Glatzel: Die beiden ersten Bauabschnitte sind vollvermietet eröffnet - jetzt soll der dritte folgen. Dazu entscheidet der Stadtrat noch im Dezember dieses Jahres. Es handelt sich um vier Geschäftshäuser gegenüber dem Busbahnhof mit ca. 6.000 qm Handel im EG und Büros und Wohnungen in den Obergeschossen. Fertigstellung geplant Ende 2027. 50 Prozent der Handelsfläche sind schon vergeben an Unterhaltungselektroniker Expert und Jysk. Mit diesem letzten Baustein ist die Innenstadt komplett.

HI HEUTE: Wie kaum eine andere Stadt in Deutschland hat Monheim durch den Erwerb zweier innerstädtischer Einkaufscenter selbst das Heft in die Hand genommen und ihr Einzelhandels-Schicksal nicht in fremde Hände gelegt. Ist das Beispiel Monheim darum überhaupt nachahmungsfähig?

Dr. Christof Glatzel: Um eine Innenstadt so umzugestalten, wie wir es in Monheim tun, muss vieles zusammenkommen. Die Grundstücke und Gebäude müssen verfügbar sein und die Stadt muss das Geld haben, um die Gebäude und Grundstücke zu erwerben. Bürgermeister und Stadtrat brauchen Mut, Geschlossenheit und unternehmerischen Geist. Und zu guter Letzt: Die Stadt muss sich Profis für die Umsetzung holen, die nicht nur in Stadtplanung denken, sondern die Stadt vom Handel her begreifen, denn ohne Handel keine funktionierende Innenstadt.

HI HEUTE: Wie muss Projektentwicklung heutzutage aussehen, wenn sie Erfolg haben bzw. rentabel sein will?

Dr. Christof Glatzel: Ein Stadtumbau wie in Monheim kann ein Privatinvestor nicht umsetzen, da muss die Stadt ran, richtig investieren und die fehlende Rentabilität über Stadtentwicklungszuschüsse kompensieren.

HI HEUTE: Welche Multi-Use-Kombinationen würden Sie persönlich präferieren?

Christof Glatzel: In der Innenstadt brauchen wir Handel und Gastronomie im Erdgeschoss, denn keine Nutzung mobilisiert die Menschen so wie der Handel. Einige wenige Groß-Konzepte stecken heute noch ins erste Obergeschoss durch. Darüber geht im Handel nahezu nichts mehr. Somit bleiben Wohnen, Büros, städtische Nutzungen und Freizeiteinrichtungen. Ich habe also nur eine gesetzte Präferenz für eine innerstädtische Entwicklung: Handel und Gastro im Erdgeschoss. Und in den Obergeschossen muss fallweise entschieden werden was geht.

HI HEUTE: Häufig klagen Projektentwickler über den Bürokratie-Wahnsinn? Meinen Sie, den kann man hierzulande überhaupt stoppen?

Dr. Christof Glatzel: Kaum, jedes Gesetz, neue Technische DIN-Vorschrift, Förderverordnung ja sogar Gestaltungssatzungen verursachen Bürokratie. 

Alle gut gemeinten „Hilfen“, Klimaschutz- oder Sicherheitsmaßnahmen, verursachen ein Monstrum an kaum noch zu verstehenden Annahmen und Berechnungen. Nehmen Sie als Beispiel die kfW-Förderung mit EH 40 und Lebenszyklusanalyse, dem sogenannten LCA Nachweis auf QNG Basis, DGNB oder ähnliches, Für individuelles Bauen in Innenstädten außerhalb  der Top 7 nicht bezahlbar!

Ob Gesellschaft, Politik und die Gutachterwelt den Mut zu einem unausweichlichen Wandel haben, bezweifeln wir.

HI HEUTE: In Shopping Centern versucht man – mitunter verzweifelt – neue Wege zur Kundenfrequenzsteigerung zu gehen. Erlebnis und Entertainment sollen helfen. Funktioniert das denn wirklich?

Dr. Christof Glatzel: Ich bin skeptisch. Ein krankes Objekt wird durch Erlebnis und Entertainment nicht wieder gesund. Es ist immer wieder dasselbe: Wenn der Handel die Kunden nicht dazu bewegt, das Shoppingcenter oder die Stadt zu besuchen, werden es Erlebnis und Entertainment auch nicht schaffen.

HI HEUTE: Welche Arten von Läden und anderseits auch von Mieten (Mietmodellen) werden benötigt, um Center wieder attraktiv zu machen?

Dr. Christof Glatzel: Der Mix macht’s; ohne Nahversorgung geht wenig. 

Aber mindestens genauso wichtig ist, dass wir es den Kunden so einfach wie möglich machen und dazu gehört auch der Individualverkehr, also das Auto. 

Boenig Glatzel Klug sind „Plattformbauer“. Wir müssen die optimale Grundlage dafür schaffen, dass der Händler die höchstmöglichen Umsätze generieren kann. Das ist der erste Gedanke, und der leitet uns durch das Projekt.

HI HEUTE: Welchen Handelsimmobilientypen geben Sie die besten Zukunftschancen - sagen wir mal für die nächsten zehn Jahre?

Dr. Christof Glatzel: Vor vielen Jahren habe ich die Fachmarktzentren auf der grünen Wiese abgeschrieben: kein Erlebnis, keine Welcome Attitude, austauschbare Händler; also keine Chance gegen das Internet. Falsch. Parkplätze direkt vorm Laden, gebührenfrei und leicht anzufahren, das Rezept klappt nach wie vor. 

Was in zehn Jahren funktioniert, weiß ich nicht. Aber was jetzt läuft, das begreife ich - und daran halte ich mich.

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