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25. Mai 2023

„Stationärer Handel wird sich verändern, um seine Zukunftsfähigkeit zu sichern“

HI HEUTE-DOPPELINTERVIEW MIT MICHAEL C. WISSER UND JOAQUIN JIMENEZ ZABALA (WISAG)
Michael C. Wisser, Vorstand der WISAG Unternehmensgruppe (l.) und Joaquin Jimenez Zabala, Geschäftsführer der WISAG Facility Management Retail GmbH & CO. KG (Foto: WISAG)

DIE WISAG zählt mit rund 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größten deutschen Dienstleistungsunternehmen und hat gerade in jüngster Zeit auch in den Segmenten Shopping Center und Retail, die seit kurzem in einer eigenen Tochtergesellschaft zusammengefasst sind, beachtliche Erfolge erzielt. HI HEUTE-Chefredakteur Thorsten Müller hatte unlängst Gelegenheit, gemeinsam mit Michael C. Wisser, Vorstand der WISAG Unternehmensgruppe, und Joaquin Jimenez Zabala, Geschäftsführer der WISAG Facility Management Retail GmbH & CO. KG, über die Entwicklung auf diesem Gebiet und künftige Unternehmensziele zu sprechen.

 

HI HEUTE: Was gab den Ausschlag dafür, dass Shopping-Center und andere Retail-Immobilien für die WISAG einen besonderen Stellenwert bekommen sollten?

Michael C. Wisser: Es war die logische Weiterentwicklung dessen, was wir vorher gemacht haben. In den 90er Jahren hat ein Trend aus den USA den Weg nach Deutschland genommen, Kunden nicht nur einzelne Dienstleistungen für Immobilien anzubieten, sondern ein ganzes Paket – der Grundstein für Facility Management war gelegt.  Die WISAG war einer der Pioniere, der diesen Trend in Deutschland etabliert hat – und zwar mit eigenen Mitarbeitern! Heute nennt man das dann integriertes Facility Management. Aber wir wollten für unsere Kunden noch einen Schritt weiter gehen. Wir wollten ihnen nicht nur dabei helfen, Schnittstellen und Koordinationsaufgaben zu reduzieren, sondern uns mit einem ganzheitlichen Blick noch besser auf die konkreten Bedürfnisse und Anforderungen des einzelnen Kunden und seiner Immobilien einstellen. Wir nennen das „Branchenlösungen“. Die gab es zunächst für Handelsimmobilien, später auch für Logistik- und Gesundheitsimmobilien, mittlerweile auch für Data-Center. 

HI HEUTE: Wie ist es Ihnen gelungen, auf diesem Gebiet so vergleichsweise schnell erfolgreich zu werden?

Joaquin Jimenez Zabala: Wir sprechen die Sprache der Center-Betreiber. Wir verstehen, worauf es ihnen ankommt, weil wir selbst Teil dieser Assetklasse sind und im regelmäßigen Austausch sowohl mit den Center-Managern als auch den Eigentümern stehen. Shopping-Center und Retail-Immobilien sind hoch komplexe Immobilien, die vielfältig genutzt werden. Hierfür braucht es individuelle, bedarfsgerechte Gesamtkonzepte, die wir gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln. Für uns wesentlich dabei, dass sie die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit bedienen. Wer auf nachhaltige Facility Services setzt, schont das Klima, sichert Arbeitsplätze und letztlich die Zukunftsfähigkeit seiner Handelsimmobilie. Mit kreativen zukunftsfähigen Angeboten tragen wir letztlich zum Wohle der Stadtentwicklung bei. Und: Weil wir in ganz Deutschland tätig sind, können wir unsere Leistungsversprechen in Eigenleistung flächendeckend einhalten. 

HI HEUTE: Herr Wisser, wie würden Sie Ihr persönliches Einkaufsverhalten beschreiben? Und: Hat sich da in letzter Zeit auch bei Ihnen Einiges verändert?

Michael C. Wisser: Ich kaufe gelegentlich auch online ein. Wer wie ich viel Zeit im Büro verbringt, freut sich, auch mal rauszukommen, durch die Stadt zu schlendern und dabei einzukaufen. Ich bin mit stationärem Handel groß geworden. Für mich steht er für Urbanität und ist einer der Gründe, in einer Stadt zu leben. Und am Ende hat das Einkaufen vor Ort für mich auch ganz praktische Gründe: Bei meiner Körpergröße von über zwei Metern sollte man Kleidung besser anprobieren (lacht) … 

HI HEUTE: Aktuell erleben wir das große Warenhaussterben und Insolvenzsituationen im stationären Handel. Wird beides noch eine Zukunft haben? 

Michael C. Wisser: Was mit den Unternehmen und den Beschäftigten geschieht, ist tragisch. Ich halte den stationären Handel für wichtig, um zur Lebensqualität in einer Stadt beizutragen. Und man sieht derzeit ja, dass auch die Menschen wieder raus wollen. Sie reisen, sie gehen in die Städte, in die Shopping-Center und die Gastronomie. Der stationäre Handel wird sich verändern und Kooperationen eingehen mit Kultur- oder gastronomischen Angeboten. So sichert er seine Zukunftsfähigkeit. Als Dienstleister mit hoher Retail-Expertise werden wir gerne unseren Teil dazu beitragen, entsprechende Konzepte mitzuentwickeln und optimal zu betreiben.

HI HEUTE: Wie kann ein Dienstleistungsunternehmen wie die WISAG dazu beitragen, dass der stationäre Handel, vorsichtig formuliert, eine nennenswerte Existenz behält?

Joaquin Jimenez Zabala: Der Markt braucht, ja er schreit förmlich nach neuen kreativen Konzepten. Es geht darum, Menschen neugierig zu machen und ihnen ein attraktives Umfeld zu bieten. Dazu können originelle und individuelle Warenangebote beitragen, aber auch mehr Grün. Also weg von weiterer Versiegelung hin zu mehr Aufenthaltsqualität. Dazu braucht es neben den richtigen Ideen aber auch den Mut, diese umzusetzen. 

HI HEUTE: Ist es für Sie sinnvoll, Kooperationen mit anderen Unternehmen einzugehen und gibt es die vielleicht schon?

Michael C. Wisser: In einer immer komplexer werdenden Welt sind Kooperationen unumgänglich, um „top of class“ zu sein. Wir sehen den Kundennutzen klar im Vordergrund und arbeiten mit Partnern gemeinsam für die beste Lösung. Ein einfaches Beispiel sind nachhaltige Reinigungsmittel. Hier setzen wir auf einen Hersteller, dessen Produkte seit Jahren höchste Umweltstandards entlang der gesamte Wertschöpfungskette erfüllen. Wir profitieren vom Entwicklungsknowhow, er von den Anwendungserfahrungen in der realen Arbeit mit dem Produkt. Das können sie mannigfaltig multiplizieren. Systempartnerschaften haben wir beispielweise in den Feldern IT und Softwarelösungen, Material und Produkte bis hin zu speziellen Dienstleistungen.  

HI HEUTE: Wie sehen Sie Ihre Entwicklung in dem Segment Shopping-Center/Retail in den nächsten drei bis fünf Jahren? Ist da noch viel „Luft nach oben“, was die Kundengewinnung angeht, oder geht es bereits eher um Intensivierung der bestehenden Kundenverhältnisse?

Joaquin Jimenez Zabala: Wir wollen und werden auch in diesem Segment national und international weiter wachsen. Zum einen haben wir mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Kunden aus dem Handelsbereich von unseren Dienstleistungen überzeugt. Diese Zusammenarbeit wollen wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen und gemeinsam neue Konzepte und Lösungen entwickeln. Stets geht es uns um den Aufbau tieferen Vertrauens zu unseren Kunden und darum, Komplexität zu reduzieren und den nachhaltigen Betrieb der Center weiter voranzutreiben. Zum anderen gibt es nach wie vor auch großes Potenzial im Neukundengeschäft. Auch das werden wir angehen. 

HI HEUTE: Ein wichtiges Thema in Ihrem Hause ist Nachhaltigkeit oder neudeutsch ESG. Sie haben hier in den vergangenen Jahren viele vorausschauende Maßnahmen ergriffen und Akzente gesetzt. Was spielt auf diesem Gebiet für Sie die größte Rolle?

Michael C. Wisser:  Als vierfacher Vater ist mir Umweltbewusstsein und verantwortungsvolles Handeln für nachfolgende Generationen ein ganz persönliches Anliegen und ich spüre, dass es in meinem Umfeld sehr viele Menschen gibt, die ähnlich denken. 

Bei der WISAG haben wir schon vor mehr als zehn Jahren beschlossen, Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt unseres gesamten Tuns zu rücken. Sie ist für uns unabdingbar. Bis Ende des Jahres wollen wir wissen, wie unsere CO2-Bilanz aussieht, damit wir ein Jahr später CO2-neutral sein können. Das wird zunächst nicht ohne Kompensation gehen, da sind wir ganz offen. Wir halten es dennoch für richtig, um in den Prozess einzusteigen und dann den CO2-Ausstoß immer weiter zu reduzieren. Dazu gehen wir eine Reihe von Maßnahmen an: Wir stellen gerade unseren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge um, forcieren den Ausbau von Photovoltaik-Dächern auf unseren Immobilien, erwerben eigene Windkraftanlagen und erzeugen so künftig unseren eigenen Strom. In einem so breit aufgestellten Konzern wie der WISAG gibt es überall Potenziale, die wir schrittweise angehen. So sorgen wir beispielsweise im Rahmen von Kooperationen dafür, dass übriggebliebenes Essen aus unseren Kantinen weiter verwertet wird. 

HI HEUTE: ESG bestimmt aktuell auch sehr stark den Alltag der Retailkunden. Wie wollen Sie denen unter die Arme greifen bzw. sie effektiv beraten?

Joaquin Jimenez Zabala: Der Beratungsbedarf ist – nicht zuletzt durch den Druck durch Vorgaben der EU - auf allen Seiten sehr hoch. Vielfach geht es ja vor allem bei größeren Handelsimmobilien um Revitalisierung im Bestand, also ums Sanieren. Da muss in den nächsten Jahren enorm viel passieren. Alle reden über Taxonomie, über Regulierung, aber viel zu wenig über die konkrete Umsetzung. Dabei lauten die entscheidenden Fragen doch: Was kann ich jetzt tun, was mittel- und langfristig? Hier will die WISAG Antworten geben, indem wir zum Beispiel ESG-Reportings in den Objekten erstellen. Zudem erarbeiten wir gemeinsam mit den Auftraggebern Konzepte zur energetischen Optimierung ihrer Immobilien und zur Reduzierung ihres Energieverbrauchs. 

HI HEUTE: Ein Thema, das derzeit ebenso sehr viele Unternehmen umtreibt, ist die Personalsuche. Wie gehen Sie damit um? Gibt es überhaupt verlässliche Methoden dazu?

Michael C. Wisser: Wir erleben hier gerade wirklich eine herausfordernde Zeit. Es gibt – kurz gesagt – viel zu wenig Bewerber für sehr viel Nachfrage. Jedes Unternehmen muss hier seinen eigenen Weg finden. Aus meiner Sicht geht es um die grundsätzliche Frage: Welchen Typ Mensch wollen wir für uns gewinnen? Es geht um eine individuelle Ansprache, um ein Markenversprechen, um Verlässlichkeit und um klare Werte. Ein Unternehmen muss sich also klar positionieren. Nur so kann es zu einer Identifikation kommen, nur so finden wir Menschen, die unser Werte- und Dienstleistungsverständnis teilen. Die WISAG ist ein Familienunternehmen und wir verstehen uns als eine Familie. Es gibt eine Reihe von Karriere- und Entwicklungsbeispielen in unserem Haus, die zeigen, dass wir gute Perspektiven, Chancen und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Und das seit fast 60 Jahren. Es gibt viele Menschen, die diese Beständigkeit und langfristige Orientierung schätzen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man in die Personalgewinnung und -bindung investieren muss. Das ist kein Prozess, den man noch so nebenbei betreiben kann. Wir als WISAG sind hier schon gut aufgestellt und widmen uns diesem Thema weiterhin intensiv.

HI HEUTE: Woher holen Sie denn neue Kräfte? Auch aus dem Ausland?

Michael C. Wisser: Erste Gehversuche haben wir auf diesem Gebiet schon unternommen, bislang ausschließlich innerhalb der EU. Wir können aufgrund unserer Dienstleistungsbreite ganzen Familien ein Job-Angebot machen. Auch durch die verstärkte Zuwanderung in den vergangenen Jahren sind Potenziale dazu gekommen, die uns helfen, unseren Personalbedarf zu decken. Darüber hinaus werfen wir aber auch – gerade was die Fachkräfte anbelangt – den Blick auf weiter entfernte Länder wie Brasilien, Indien und Vietnam. 

 

HI HEUTE: Die WISAG gehört längst zu den ganz großen Playern im Bereich Facility Management und anderen Dienstleistungen. Wie sieht Ihre Vision aus?

Michael C. Wisser: Die ist sehr konkret. Wir haben unternehmensseitig bis 2030 vier wichtige Schwerpunkte definiert, die unser tägliches Handeln prägen werden. Das sind Nachhaltigkeit (CO2-Neutralität bis Ende 2024), Digitalisierung (unsere Arbeitswelt mit der Welt der Kunden optimal zu vernetzen), Internationalisierung (Ausbau unserer Aktivitäten in der DACH-Region, in den Benelux-Ländern und in Teilen Skandinaviens) und natürlich Wachstum. Damit wollen wir unseren derzeitigen Jahresumsatz bis 2030 annähernd verdoppeln. 

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