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08. Mai 2016

„Stabilität wird an Bedeutung verlieren“

INTERVIEW MIT DEN HAMBURGER GELDEXPERTEN HANS HENRIK DIGE, ANDREAS PFAFF UND CHRISTIAN GRAF VON BASSEWITZ
Andreas Pfaff Foto: Anna-Lena Ehlers
Hans Henrik Dige Foto: Anna-Lena Ehlers
Christian Graf von Bassewitz Foto: Anna-Lena Ehlers
In der altehrwürdigen Handelskammer zu Hamburg fanden sich drei norddeutsche Banker zu einem Interviewtermin für HI-HEUTE zusammen, um aktuelle Fragen, die sich mit wirtschaftlicher und finanzpolitischer Stabilität befassen, zu diskutieren. Zum Trio gehörten Hans Henrik Dige, Leiter des DG HYP Immobilienzentrums Hamburg, Andreas Pfaff, Hamburger Geschäftsstellenleiter der Berlin Hyp, sowie Christian Graf von Bassewitz, der bis zu seinem Ruhestand Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter der Bankhaus Lampe KG war (Oetker-Gruppe). Außerdem gehörte er viele Jahre unter anderem dem Aufsichtsrat der Aareal Bank AG an. Noch immer ist er im Aufsichtsrat der Signal Iduna sowie der Bank für Sozialwirtschaft AG. Von Bassewitz, als Senior der Runde, machte nach Bundeswehr und vor dem BWL-Studium seine Banklehre bei der Deutschen Bank in Hamburg und erlebte hier hautnah die nicht nur für die Finanzwelt folgenreiche Kuba-Krise mit.

 

Um die wirtschaftliche und politische Stabilität ist es derzeit in einem auseinander driftenten Europa nicht gerade zum Besten bestellt. Wie stabil sind Euro und Europa? Überleben Sie überhaupt noch das nächste Jahrzehnt?
Christian Graf von Bassewitz: In der Tat ist die Situation in Europa besorgniserregend. Unser gemeinsames Haus Europa, an dem gerade wir Deutschen mit großem Einsatz gebaut haben, zeigt Kratzer, zeigt Risse, gelegentlich schwankt es sogar, aber es stürzt nicht ein. Das Fundament ist stabil und gemeinsam ist auch die Einsicht, dass ein Rückfall in eine Nationalstaatlichkeit mit eigener Währung gravierende Folgen für Wachstum und Wirtschaft haben wird. Gerade wir Deutsche haben doch als exportabhängiges Land von der europäischen Einigung und dem Euro erheblich profitiert. Daher bin ich überzeugt, dass Europa gar keine andere Chance hat, als zu überleben. Und das auch im nächsten Jahrzehnt. Das gleiche gilt auch für den Euro. Ob dann allerdings noch alle Partner an Bord sind, ist eine offene Frage.
Hans Henrik Dige: Es ist ja alles relativ und eine Sache der Wahrnehmung. Wenn man die Stabilität des Euros mit anderen Währungen vergleicht, schneidet er ja so schlecht  gar nicht ab. Im Gegensatz zu den Amerikanern haben wir die Schuldenkrise sehr ernst genommen und etwas dagegen getan. Deutschland hat an der insgesamt guten Entwicklung in Europa einen nicht zu unterschätzenden Anteil, weil wir hier noch richtige Güter produzieren, die von Wert sind. Die EU – da habe ich keinen Zweifel – wird auch im kommenden Jahrzehnt bestehen, aber wahrscheinlich nicht mit allen heutigen Mitgliedsstaaten.
Andreas Pfaff: Ich glaube, dass das Wort Stabilität in unserer heutigen von ständiger Veränderung geprägten Zeit an Bedeutung verlieren wird. Es wird sich mehr um die bestmögliche Reaktion auf neue Rahmen-Parameter drehen. Das gilt für viele Dinge. Ich bin genauso erstaunt wie Herr Dige, dass der Euro diese vermeintliche Stabilität in der aktuellen Situation behält – wie immer man das auch erklärt. Ich denke aber, dass wir am Ende des Tages das Modell EU und damit unsere Stabilität aufrechterhalten werden. Wir werden sicher hier und da ein paar Blessuren erleiden, aber ich bin überzeugt, dass wir das schaffen. Nur müssen wir uns darauf einstellen, dass unsere Aufgaben täglichen Veränderungen ausgesetzt sein werden. In einem sicher nicht wegzudiskutierenden Drohszenario von Deflation und Inflation kommt der Assetklasse Immobilien eine besondere Bedeutung zu. Sehen Sie das auch so und welche Alternativabsicherungen befürworten Sie außerdem so?
Christian Graf von Bassewitz: Im Verlauf vieler politischer und ökonomischer Krisen hat sich immer wieder gezeigt, dass die Immobilie eine sichere Assetklasse ist. Dies wird sicher auch in Zukunft so bleiben, und es gilt sowohl für Inflation als auch für Deflation. Grund und Boden sind nicht vermehrbar und das bei wachsender Weltbevölkerung. Deshalb aus meiner Sicht ein klares Ja zu Investitionen in Immobilien! Allerdings ist bei der derzeitigen zinsgetriebenen Nachfrage die Gefahr einer Blasenbildung nicht auszuschließen. Doch ich warne: Vorsicht vor überhitzten Preisentwicklungen in bestimmten Regionen! Alternativ empfehle ich auch ein Investment in Aktienfonds, breit aufgestellt –   Deutschland, Europa, USA und ein wenig Indien, als kommendes Industrieland. Ein Investment lohnt aber nur dann, wenn man sein Geld nicht morgen schon wieder braucht. Also langfristig orientiert ist und insofern sowohl in Immobilien als auch in Aktienfonds investieren kann. Wenn man dann noch ein wenig Gold beimischt, dürfte man alles richtig gemacht haben.
Hans Henrik Dige: Als Investor wäre ich aus tiefster Überzeugung auf Immobilien fokussiert. Aber wenn man realistisch schaut auf das, was passiert, dann muss man sagen, nicht Alle tun es im großen Stil. Schaut man auf dieVersicherungsgesellschaften, gibt es Beispiele von großen Versicherern, die eine sehr niedrige Immobilienquote haben. Sie legen sehr viel Kapital in Aktien an. Für den kleineren Investor hingegen ist es schwierig, eine wirklich gute Alternative zur Immobilie zu finden, die eine ordentliche Rendite bringt. Das festverzinsliche Wertpapier scheidet im Moment ja einfach aus. Staatsanleihen haben ja lange Zeit die Anlage-Portfolien ziemlich stark geprägt.
Andreas Pfaff: Mit Blick auf Stabilität kann hier nur die Antwort in der Diversifikation liegen. Für mich ist das Betongold der richtige Weg zu einer langfristigen Sicherheit. Nicht ausschließlich, denn es gibt ja zum Beispiel noch Kunst, Oldtimer und andere Anlagemöglichkeiten und darüber hinaus natürlich Aktien. Aber für einen stabilen Return ist die Immobilie augenblicklich ganz klar das Asset schlechthin.  In den letzten Tagen und Wochen ist die Zinspolitik speziell von EZB-Präsident Draghi vielfach massiv kritisiert worden. Müssen sich die Kleinsparer mit Blick auf eine bargeldarme oder vielleicht völlig bargeldlose Welt ernsthafte Sorgen machen?
Andreas Pfaff: Ich kann nicht sicher beantworten, ob sich der Kleinsparer ernsthaft Gedanken machen muss. Fakt ist, dass es dieses Gedankengut aber durchaus gibt und die Beschränkung auf 5000 Euro in einer Zahlung halte ich für nicht allzu gut. Es mag mit Blick auf Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung sinnvoll sein, allerdings gibt es sicher auch andere Mechanismen, die wir einschalten können. Ich sehe es auch eher als Eingriff in die Freiheit, in der ich mit all ihren Vor- und Nachteilen sehr gern aufgewachsen bin.
Hans Henrik Dige: Für Unternehmen ist ja schon heute der Negativ-Zins Fakt, den sie einfach hinnehmen müssen. Ich will aber gar nicht so sehr von Negativ-Zins, sondern realistischer von Null-Zins sprechen, der im übrigen ja seine Ursache in den südeuropäischen Ländern hat. Für den Sparer heißt das, dass er keinen Cent für seine Anlage bekommt – wenn er Glück hat, zahlt er dafür nicht – und seine Rente, sprich private Altersversorgung, leidet darunter. Es wird also immer schwieriger für den Ruhestand vorzusorgen. Der Normalverbraucher wird also im Grunde ein Stück weit enteignet. Sein Vermögen wird nicht nur nicht vermehrt, sondern vielleicht sogar verkleinert. Der große Investor hat dieses Problem natürlich nicht. Er profitiert vom niedrigen Zinsumfeld, sei es durch Immobilien oder bestimmte Wirtschaftsgüter. Man kann sehen, wo das hinführt: Die Schere geht auseinander!  
Christian Graf von Bassewitz: Ich kann mir eine bargeldlose Welt nicht vorstellen. Ich möchte frei sein mit meiner Entscheidung, entweder bar zu zahlen, per Scheck oder mit Karte. Das kann und darf mir nicht vorgeschrieben werden. Ich bin ein strikter Gegner einer Politik, die das Bargeld ganz abschaffen möchte. Den 500er unter Umständen zu reglementierten, das ist okay, aber weiter runter würde ich nicht gehen. Der von Ihnen angesprochene Kleinsparer ist weniger durch eine bargeldlose Welt getroffen, als vielmehr durch die aktuelle Zinspolitik.  Er muss um sein Erspartes fürchten. Nicht dass es verloren ginge, aber es bringt keine Zinsen mehr. Und das ist natürlich bitter für Diejenigen, die ihr Leben lang gespart haben und nun sehen müssen, dass es nichts bringt. Mit Versicherungen ist das etwas anderes. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Kapital-/Lebensversicherungen schon mal eine ganz andere Rendite auswerfen und stabil und nicht gefährdet sind. Ein aus meiner Sicht wichtiger Teil einer Altersversorgung.

 

Noch einmal zurück zur Stabilität: Auch außerhalb Europas kriselt es gewaltig. Ob in den islamischen Ländern, ob in Nordkorea, Russland bzw. der Ukraine oder in den USA mit äußerst bedrohlichen Präsidentschaftsperspektiven – bieten sich uns daheim gefährliche Situationen. Was empfinden Sie hier als besonders bedrohlich?
Christian Graf von Bassewitz: Es sind die politischen Risiken, die uns besorgt machen. In einer unglaublichen Fülle, die wir täglich über das Fernsehen oder andere Medien zu uns auf den Tisch bekommen, und die uns zeigt, dass es scheinbar nur noch Krisen in der Welt gibt. Das politische Risiko verunsichert die Menschen und führt sie unter Umständen auf falsche Wege, in eine Radikalisierung, die wir nicht wollen. Allerdings meine ich, dass unser vereintes Europa noch immer stark genug ist, um diesen Risiken zu trotzen. Ein bis zwei Millionen Flüchtlinge aufzunehmen und vernünftig zu versorgen muss einfach möglich sein.
Die Digitalisierung hat schon lange auch Einzug in die Welt der Banken gehalten. Verlieren die Banken dadurch den persönlichen Zugang zu den Kunden oder gibt es dadurch vielleicht sogar auch Möglichkeiten sie noch näher zusammenzubringen.
Andreas Pfaff: Natürlich wird die Digitalisierung verstärkt Einzug halten. Im Retailgeschäft wird es immer seltener werden, dass Menschen miteinander kommunizieren. Dies wird durch Workflows ersetzt werden. Dadurch kann man das Unternehmen rentabler gestalten, was sich sicherlich auch positiv auf den Kunden auswirkt. I Andere Segmente hingegen wie zum Beispiel mein persönliches Aufgabengebiet des großvolumigen Kreditgeschäfts sind vom Relationship-Banking geprägt -  - hier wird weiterhin der Mensch im Mittelpunkt stehen. Aber auch hier wird es Workflows geben, die den Kreditprozess vereinfachen  und damit ebenfalls rentabler machen. Insofern kommen Veränderungen auf uns zu,  die wir uns vielleicht jetzt noch gar nicht so richtig vorstellen können. Mobile Geräte, wie z. B. Tablets, in Bankfilialen sind längst keine Utopie mehr.
Christian Graf von Bassewitz: Auch die Banken müssen realisieren, dass das digitale Zeitalter Kundenverhalten verändert. Die 0815-Produkte am Bankschalter – wenn ich das mal so flapsig sagen darf – die sterben aus und mit ihnen sicher auch manche Bankfiliale. Aber das gibt Raum für die Betreuung der Kunden in anspruchsvollen Dienstleistungen. Es bleibt der Wunsch des Kunden nach individueller, unabhängiger und vor allem kompetenter Beratung. Das gilt für die optimale Baufinanzierung, die eben nicht nur über digitale Wege mitgeteilt werden kann, für jede Form der Kreditfinanzierung und natürlich auch für die Vermögensberatung.
Hans Henrik Dige: Sicher werden digitale Services weiter stark zunehmen, nur darf man nicht unterschätzen, wie kompliziert beispielsweise unser Geschäft für den Immobilienbereich ist. Die Prozesse sind durch immer mehr Vorschriften und Regularien deutlich schwerfälliger geworden. Das schlanke Arbeiten, wie man es von anderen Bereichen her kennt und sich wünscht, funktioniert hier noch beileibe nicht so. Der Aufwand, um zum Beispiel einen mittelgroßen Kredit zu bekommen, ist eher gestiegen und keinesfalls gesunken. Sie haben da gerade den direkten Immobilienbereich, zu dem ja auch Shopping Center gehören, direkt angesprochen. Worauf kommt es hier an bzw. wie hat sich der Umgang mit den Projektentwicklern in jüngster Zeit verändert?
Hans Henrik Dige: Eine Bank kann bei Projektentwicklungen kein echtes, operatives Controlling durchführen, sondern muss sich darauf verlassen können, dass der Kunde diesen sehr komplexen Bereich beherrscht. Natürlich gibt es zahlreiche digitale Instrumente, um an möglichst viel Wissen über das Projekt zu kommen. Hier ist sicher in den letzten Jahren vieles verbessert worden, damit ziemlich verlässliche Aussagen möglich sind. Aber ein Banker sollte sich sehr gut überlegen, mit wem er sich hier einlässt, weil alles eben doch nicht in Excel-Sheets abbildbar ist.
Andreas Pfaff: Der Kreditvertrag regelt sehr viel, aber längst nicht alles. Wenn ein Projekt mit großem finanziellen Volumen problematisch wird, kommt man auch mit Ratingsystemen und Risikokontrollmechanismen nicht entscheidend weiter. Der Mensch bleibt unter dem Strich das wichtigste Frühwarnsystem. Nur die Kommunikation zwischen den beiden Parteien, also den Menschen, führt zu einer Lösung.
Banken spielen in den Sozialen Netzwerken keine große Rolle. Während in anderen Bereichen Bereichen kleinste Kleinigkeiten bewertet werden, halten sich die Facebook und Co-User was Bankservice-Begutachtung angeht doch eher zurück. Wie sehen Sie das?
Andreas Pfaff: Der klassische Schalter-Bankangestellte steht ja heute schon sehr unter Beobachtung. Er wird zweimal jährlich vom Bundesverband der Deutschen Banken überprüft und muss streng darauf achten, dass er keine unpassenden Produkte an den Endverbraucher verkauft. In der gewerblichen Kundenberatung gilt eigentlich immer noch eine gewisse  Zurückhaltung, was öffentliche Beurteilung angeht. auch wenn ich  keine Angst davor habe. aAuch ohne Facebook und Twitter spricht sich die Qualität einer Beratung und das hohe Engagement für den Kunden herum. Einzufriedener Kunde ist nach wie vor das beste Marketinginstrument. Eine enorm große Rolle im Umgang zwischen Bank und Kunde spielt das Vertrauen. Hier haben Banken in der Vergangenheit viele Kunden verprellt. Wie kann es ihnen gelingen, es zurückzugewinnen?
Christian Graf von Bassewitz: Ich bin entsetzt und auch traurig über den Ansehensverlust, der durch einige große Banken und deren Verhalten im Markt entstanden ist. Das gilt für privaten Banken ebenso wie einige Landesbanken, die gleichviel Fehler gemacht haben und damit das Ansehen einer ganzen Branche in Misskredit gebracht haben. Das ist natürlich zu differenzieren, wenn wir wissen, dass es unglaublich viele Banker gibt, die ihre Kunden gut beraten. Man darf nicht den Fehler machen, dass die ganze Branche in Bausch und Bogen als Boni-Banker abgetan wird. Die Tugenden des hanseatischen Kaufmann sind mehr denn je gefragt. Solidität, Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit und Anstand sind da an vorderster Stelle zu nennen. Und eines sollte auch klar sein: Es ist nicht alles legitim, was legal ist.
Hans Henrik Dige: Also Vertrauen schafft man unter (realen) Menschen und nicht durch digitale Medien. Das setzt voraus, dass man sich erst einmal richtig kennenlernt. und hinter die Fassade schauen kann – besonders, wenn es um größere Projekte geht.
Andreas Pfaff: Vertrauen entsteht durch verlässliches, transparentes Handeln. Das heißt, ich muss meinen Kunden die versprochene Leistung zur richtigen Zeit liefern. So rechtzeitig, dass er auch noch agieren und nicht nur reagieren kann. Man muss ihn in dem langwierigen Prozess mit auf die Reise nehmen und ihm viele Dinge dabei erklären, um ihm auf diese Weise zu unterstützen.  Herr Graf von Bassewitz, haben Sie in Ihrem jahrzehntelangen Wirken nennenswerte Veränderungen in der Kundenberatung feststellen können?
Christian Graf von Bassewitz: Nein. Ich glaube dass die Wünsche des Kunden nicht viel anders sind als vor 30 Jahren. Er möchte angesprochen werden, erkannt werden in seinem Bedarf, wenn es um Anlagegeschäfte, Finanzierungen oder Auslandsgeschäfte geht.

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