Cookie-Einstellungen

Diese Webseite verwendet Cookies, um die Bedienfreundlichkeit zu erhöhen.

Informationen zum Datenschutz

23. Januar 2025

„Mixed-Use ist oft Bedingung für einen erfolgreichen Betrieb“

EXKLUSIV-INTERVIEW MIT JOACHIM STUMPF, GESCHÄFTSFÜHRER DER BBE HOLDING UND IPH HANDELSIMMOBILIEN UND MITGLIED IM RAT DER IMMOBILIENWEISEN DES ZIA
Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Holding und IPH Handelsimmobilien
Foto: BBE/IPH
Innenstädte müssen einen Mehrwert bieten
Foto: Adobe Stock

Joachim Stumpf ist Geschäftsführer der BBE Holding und IPH Handelsimmobilien (München). Auch gehört er seit kurzem dem Rat der Immobilienweisen des ZIA an. Dort ist er für das Segment Handelsimmobilien verantwortlich. Mit seinem umfassenden Fachwissen und strategischem Weitblick entwickelt er zukunftsweisende Strategien für den Handel und die Weiterentwicklung von Handelsimmobilien in Deutschland. Im Interview mit HI HEUTE-Chefredakteur Thorsten Müller gibt er eine Einschätzung, was die Retail-Zukunft in den Innenstädten betrifft und was er vom Multi-Use-Trend hält.

HI HEUTE: Die meisten großen Einzelhandelsimmobilien müssen sich nach zahlreichen Veränderungen in unserer Gesellschaft neu aufstellen. Das ist leicht gesagt, aber vielfach nur sehr schwer umgesetzt. Worin liegen dabei die größten Herausforderungen?

Joachim Stumpf: Die Umnutzung großer Einzelhandelsimmobilien stellt eine enorme Herausforderung dar, weil diese ursprünglich für sehr spezifische Zwecke und Bedürfnisse gebaut wurden. Besonders deutlich wird dies bei ehemaligen Warenhäusern. Oft fehlen die baulichen Voraussetzungen, um sie für neue Nutzungen wie Wohnen oder Büro umzubauen. Sie sind mehrstöckig, haben große Flächen, wenige Innenwände, kaum Wassserleitungen und abgesehen von Schaufenstern im Erdgeschoss meist keine Fenster. Mögliche Maßnahmen wie das Einziehen von Lichthöfen sind sehr teuer und zeitintensiv.

Eine Patentlösung gibt es nicht, da jede Immobilie individuelle Merkmale mitbringt, die sich auch je nach Standort unterscheiden können. Neben baulichen Aspekten spielen auch Fragen der Wirtschaftlichkeit, des regionalen Marktpotenzials und der rechtlichen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. 

Hinzu muss das Know-how aus vielen immobilienwirtschaftlichen Bereichen gebündelt werden. Einem Entwickler, der sich ursprünglich auf den Bau von Einzelhandelsflächen spezialisiert hat, fehlt häufig die Expertise, um eine Immobilie erfolgreich in ein Bürogebäude oder eine gemischt genutzte Immobilie umzuwandeln. Hier kommt es also auf die richtigen Kooperationen oder Wissenserweiterungen an.

Nicht zuletzt spielen rechtliche und gesellschaftliche Faktoren wie Denkmalschutz und ESG-Anforderungen eine wichtige Rolle. Diese können die Flexibilität und den Handlungsspielraum bei der Umnutzung erheblich einschränken und zusätzliche Planungs- und Umsetzungshürden mit sich bringen. Je kleiner ein Einzugsgebiet, umso eingeschränkter sind die Nutzungsalternativen. 

HI HEUTE: Mixed-Use ist im Moment ein populäres Schlagwort und ein Weg, der Erfolg verspricht. Geht es überhaupt noch ohne?

Joachim Stumpf: Meistens nicht. Zwar gibt es immer wieder Beispiele, in denen große Einzelhandelsflächen wieder an einen einzigen, großen Mieter vergeben werden, aber solche Fälle sind eher die Ausnahme. In der Regel sind die Eigentümer gezwungen, ihre Immobilien für mehrere Nutzungen zu öffnen, um die Rentabilität zu erhöhen und die Immobilie langfristig attraktiv zu halten. Mixed-Use ist nicht mehr „nice to have“, sondern oftmals die Bedingung für einen erfolgreichen Betrieb.

Allerdings wird das Thema Mixed-Use manchmal etwas übertrieben als Innovation der 2010er und 2020er-Jahre dargestellt. Tatsächlich gab es schon in der Vergangenheit zahlreiche Beispiele für gemischt genutzte Immobilien, insbesondere in den Innenstädten. Auch in vielen Einkaufszentren der neueren Generation gab es häufig Wohnungen oder Büros über den Handelsnutzungen – das ist also kein völlig neues Konzept. Was sich jedoch aufgrund der zeitgleich stattfindenden Ereignisse wie die Schließung vieler Warenhäuser, SB-Warenhäuser und Consumer Elektronik Märkten geändert hat, ist die Intensität und der Umfang, mit dem heute Mixed-Use-Ansätze verfolgt werden. Dies gilt auch für die dementsprechende Berichterstattung und Medienpräsenz des Themas.

HI HEUTE: Sie gehören inzwischen auch zum Rat der Immobilienweisen des ZIA – Was ist bei diesem verantwortungsvollen Posten ihr persönliches Anliegen? 

Joachim Stumpf: Mir ist es wichtig, einen differenzierteren Blick auf die aktuellen Herausforderungen im Bereich Handelsimmobilien zu fördern. Mit Differenzierung meine ich Unterschiede in Branchen, Betriebsformen, Standortlagen, Ortsgrößen und Immobilienklassen, Ich habe oft die Wahrnehmung, dass viele Themen pauschalisiert werden – zum Beispiel, dass die Reduzierung von Verkaufsflächen automatisch den „Untergang“ unserer Städte und von großen Handelsimmobilien bedeutet. Diese Sichtweise greift aber viel zu kurz.

Tatsächlich gibt es sehr unterschiedliche Ursachen und Entwicklungen, die die Situation beeinflussen. In kleineren Städten spielt zum Beispiel der Mittelstand eine viel größere Rolle und hat schon lange – nicht erst seit Corona – mit Nachfolge- und Rentabilitätsproblemen zu kämpfen. In den Großstädten dagegen ist der Mittelstand oft schon verschwunden. Die Veränderungen sind hier anders: weniger Textilgeschäfte, weniger Warenhäuser, aber auch spannende Möglichkeiten für alternative Nutzungen von Immobilien.

Mein Ziel ist es, zu einer differenzierten, fachlich fundierten Betrachtung der unterschiedlichen Makro- und Mikrostandorte beizutragen. Jede Stadt hat ihre Besonderheiten, die bei der Entwicklung von Lösungen berücksichtigt werden müssen. Nur so können wir zukunftsfähige Konzepte für Handelsimmobilien und die Stadtentwicklung insgesamt entwickeln.

HI HEUTE: Was glauben Sie, wie Innenstädte der Zukunft geschaffen sein müssen, damit auch der Einzelhandel in ihnen erblühen kann?

Joachim Stumpf: Sie müssen Orte mit einem Bedeutungsüberschuss bleiben, die auch für Besucher von außerhalb attraktiv und einzigartig sind. Das kann z.B. Wohnen als Nachnutzung nicht leisten und damit nur ein Teil des Ganzen sein. Innenstädte brauchen einen Mix unterschiedlicher Angebote, die eine hohe Besucherfrequenz erzeugen und die Stadt als lebendigen Anziehungspunkt stärken. Dazu gehören Sport- und Freizeitmöglichkeiten, kulturelle Angebote oder auch Gastronomie. Auch publikumsintensive öffentliche Einrichtungen zahlen darauf ein. Diese Elemente schaffen eine Dynamik, die für den Einzelhandel von entscheidender Bedeutung ist, da sie Menschen in die Stadt bringen und damit auch den stationären Handel unterstützen.

Neben der richtigen Nutzungsmischung muss auch die Aufenthaltsqualität hoch bleiben. Die Menschen müssen sich gerne und lange in der Stadt aufhalten wollen, und das gelingt nur, wenn die Städte funktional sind und gleichzeitig ausreichend Grünflächen und Wasser bieten. Kurze Wege, gute Erreichbarkeit, Sauberkeit, Verfügbarkeit von öffentlichen Toiletten und Sicherheit sind dabei ebenfalls Kriterien, die Verbraucher immer wieder in Befragungen wünschen. 

HI HEUTE: In welchen Städten bzw. welchen Standorten in unserem Land sehen Sie beispielhafte Umsetzungen für ein erfolgreiches Zusammenspiel von Retail und städtischen Nutzungen, die der Handelsimmobilienbranche Hoffnung für die Zukunft machen?

Joachim Stumpf: Ein positives Beispiel ist ein Objekt am Bahnhof Rosenheim. Hier wurde über einen längeren Zeitraum ein Nutzungsmix entwickelt, der im engen Dialog mit der Wirtschaft und der Bevölkerung abgestimmt wurde. Ursprünglich war an diesem Standort ein klassisches Einkaufszentrum geplant. Stattdessen entstand ein Nutzungsmix, der sowohl die städtebauliche Dimension als auch die Lebensqualität für die Region deutlich erhöht. Neben Einzelhandelsflächen wurden ein Ärztehaus und ein Nahversorgungszentrum integriert – ein vielfältiger Mix, der den Standort für die gesamte Region aufwertet.

Mit diesem Ansatz hat sich die Immobilie am Bahnhof Rosenheim zu einem prominenten und lebendigen Standort entwickelt, der weit über den klassischen Einzelhandel hinausgeht. Er ist ein gelungenes Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung, bei der Einzelhandel und urbane Nutzungen sinnvoll miteinander verknüpft werden, um nicht nur den Handel, sondern die gesamte Region zu stärken. 

ANZEIGE

Unsere Werbepartner

Impressum Datenschutz Cookie-Einstellungen Über uns

HANDELSIMMOBILIEN HEUTE (HIH) ist ein Nachrichten- und Serviceportal für die gesamte Handelsimmobilienbranche in Zusammenarbeit mit renommierten Verbänden und Instituten.