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Der Immobilienmakler Eckhard Brockhoff (Brockhoff GmbH) und der für den Retail-Bereich verantwortliche Geschäftsleiter Bert Pfeffer besitzen als Einzelhandelsspezialisten eine Erfahrung von jeweils mehr als 40 Jahren. Im Interview mit HI HEUTE-Chefredakteur Thorsten Müller, das für unser neues Branchenbuch „Fit für die Zukunft? – Des Handels neue Pflichten und Chancen" entstand, erzählen die beiden Essener, wie sie die derzeitige Situation im Handel erleben und was sie sich für ihn für die Zukunft wünschen.
HI HEUTE: Die Einzelhandelslandschaft in Deutschland hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Was war für Sie dafür ausschlaggebend?
Eckhard Brockhoff: Man muss das regional betrachten. In München ist die Situation völlig anders als in Duisburg. Das hat vor allem mit der stark unterschiedlichen Kaufkraft zu tun. Im Ruhrgebiet haben viele Menschen immer weniger Geld zur Verfügung. Die orientieren sich preisgünstig, bevorzugen die sogenannten Billig-Ketten. In Städten wie Mülheim oder in einzelnen Stadtteilen der Nachbarstädte lebt aber eine vergleichsweise hohe Anzahl an wohlhabenden Bürgerinnen und Bürger. Nur, dass diese vor Ort auch nicht üppig shoppen gehen – und darum der lokale Einzelhandel davon nicht profitieren kann. Auch weil die Angebote für diese Klientel viel zu gering sind.
Bert Pfeffer: Diese Menschen kaufen qualitativ hochwertige oder originelle Produkte, die dementsprechend teuer sind, gern im Urlaub oder auf Geschäftsreisen, aber selten in der Heimat. In den südlichen Gefilden ist das Bild eher umgekehrt. Auch in den kleineren Städten kommt der stationäre Handel gut zurecht, weil es den Menschen finanziell einfach deutlich besser geht und er sich auf deren Bedürfnisse eingestellt hat – allerdings haben das die Ruhrgebietsstädte mit den Primarks und anderen günstigen Läden auf ihre Weise auch.
HI HEUTE: Wie hat sich das Erscheinungsbild des stationären deutschen Einzelhandels in Ihrer Wahrnehmung verändert?
Eckhard Brockhoff: Die Cities sind „overshopped“ – das Ladenangebot ist überdimensioniert und entspricht nicht mehr der deutlich geringeren Nachfrage. Vor allem wegen der Corona-Pandemie und der damit verknüpften Abwanderung zum ECommerce, auch wenn die schon vorher begonnen hatte.
Bert Pfeffer: Das hat man dann u. a. versucht mit Gastronomie zu kompensieren. Durch deutlich günstigere Mieten können es sich Restaurants, Bistros etc. inzwischen auch leisten, in die Fußgängerzonen zu gehen, zum Beispiel die Systemgastronomie, aber im Ruhrgebiet sind Fast-Food-Anbieter oder Shisha-Bars an vielen Standorten immer noch in der Mehrheit.
Wie kann man das ändern? Haben Sie Lösungsvorschläge?
Eckhard Brockhoff: Gelöst werden kann es dadurch, dass man die Obergeschosse der Innenstädte wohnwirtschaftlich nutzt und die vielfach dringend erforderlichen Umwandlungsmaßnahmen durch öffentliche Programme subventioniert. Man muss überhaupt nicht zwingend so viele neue Wohnhäuser bauen, sondern „nur“ die entstandenen Leerstände in hochattraktiven Lagen dementsprechend beheben. Auf diese Weise kann die Wohnsituation in unserem Land sehr viel schneller und effektiver verbessert werden.
Fakt ist, dass besagte Obergeschosse vielfach von den Ladenbetreibern in den Erdgeschossen als reine Lagerflächen genutzt werden. Sie sind teilweise – wenn nicht so gar überwiegend – in einem völlig maroden Zustand. Energetisch meist eine Katastrophe. Dabei gibt es derzeit für interessierte Eigentümer noch richtig gutes Geld durch diesbezügliche staatliche Förderungen (hier sind große Summen noch gar nicht abgerufen worden), um attraktive Wohnflächen herzustellen. Fängt der eine damit an, dürften sich Nachahmer schnell finden und das Ganze könnte eine Sogwirkung erzeugen.
Denkt man es konsequent weiter, würde dieser Prozess zu einer immensen Belebung der Innenstädte führen. Vor allem, wenn dann noch weite Teile der leerstehenden Flächen beispielsweise für Bildungs-, Gesundheits- oder Kulturangebote genutzt würden. All das bildet Anlässe für den doch so wichtigen Innenstadtbesuch, der einfach dadurch viel attraktiver würde.
HI HEUTE: Das würde ja das City-Erscheinungsbild revolutionieren.
Eckhard Brockhoff: Das sehe ich so. Sowohl die Jüngeren (z.B. über universitäre City-Angebote) als auch die Älteren (z.B. über Gesundheits- und Pflegeangebote) würde man auf diese Weise in die Innenstadt holen. Und dann läuft auch wieder der Handel, vor allem, wenn es zudem gelingt, die „Einzelkämpfer“ wieder zu aktivieren, die von den Filialisten vertrieben worden sind.
HI HEUTE: Was meinen Sie mit „Einzelkämpfern“?
Eckhard Brockhoff: Damit meine ich die Fachgeschäfte, die früher von der Kundschaft so geliebt wurden. Die dürften sich – nach den starken Mietsenkungen in der jüngsten Zeit – die Innenstadtlagen ja auch wieder leisten können. Und auch die Filialisten würden das begrüßen, weil Abwechslung einfach immer gut tut. Auch die netten Cafés, die vielfach weggebrochen sind, würde man sehr gern wieder in der City begrüßen.
HI HEUTE: Kommen wir zurück zur aktuellen Situation. Da macht der Trend „Mixed-Use“ die Runde. Was halten Sie davon? Ist das die Zukunft?
Eckhard Brockhoff: Ich sehe diesen Trend absolut positiv und auch in unserem Unternehmen bestätigt. In der Bürovermietung von Innenstädten stellen wir verstärkt fest, dass Kommunen und Bildungsträger hier große Teile der angebotenen Flächen übernehmen. Das sind Quadratmeter, die zur Innenstadt-Belebung beitragen. Aber es ist grundsätzlich festzustellen, dass die Immobilien-Assets immer mehr kombiniert werden.
HI HEUTE: Verändert hat sich auch der komplette Bereich der Projektentwicklung. Wie sehen Sie da die Entwicklung und den Vergleich zur Situation vor rund zehn und mehr Jahren?
Eckhard Brockhoff: Sie hat enorme Probleme bekommen. Das hat mehrere Gründe, zum Beispiel die gestiegenen Baukosten, größere Schwierigkeiten im Umgang mit den Banken, Mietreduzierungen und kürzere Vertragslaufzeiten. In den Innenstadtbereichen ist Projektentwicklung im Grunde gar nicht mehr rentabel. Aber wenn man ehrlich ist, benötigt man Neuerschließungen hier auch gar nicht mehr wirklich. Anders ist es im Bereich von Flächenumwandlungen: Die größte deutsche Projektentwicklung wäre die Neugestaltung der Obergeschosse in den Fußgängerzonen vieler großer Innenstädte! Und: Man bekäme auch viel schneller eine Baugenehmigung. Zudem gäbe es bei einer Gewerbeumwandlung in Wohnraum obendrein viel Geld vom Staat – getreu der Devise „je oller desto doller!“ Denn: Die besonders gammeligen Alt-Flächen bringen die meisten Fördermittel.
HI HEUTE: Themenwechsel – Was passiert mit den Shopping Centern?
Eckhard Brockhoff: Sie sind einfach viel zu langweilig, weil gleichförmig geworden. Die Uniformität muss dringend aufhören, wenn sie eine Zukunft haben wollen.
HI HEUTE: Welche Retailkonzepte sind für Sie die derzeitigen Gewinner?
Eckhard Brockhoff: Vereinfacht und verkürzt kann man sagen: ganz billig und ganz teuer. Im Süden der Republik sind es Läden mit Luxusartikeln, in den ärmeren Bundesländern die Billigketten.
Bert Pfeffer: Die Non-Food-Discounter sind salonfähig geworden. Früher waren sie fast nur in Randlagen der Innenstädte oder auf der grünen Wiese anzutreffen. Heute haben sie einen Stammplatz in den Fußgängerzonen. Festzustellen ist auch, dass manche als reine Onlinehändler gestartete Anbieter inzwischen das stationäre Geschäft beherrschen.
HI HEUTE: Was müssen heutzutage Standorte (Lagen) in Groß- und Mittelstädten erfüllen, um auf hohe Resonanz bei Retailern zu stoßen und was hat sich auch hier gegenüber der Vor-Corona-Zeit gewandelt?
Bert Pfeffer: Die Städte und Kommunen müssen deutlich flexibler werden. Genehmigungen, zum Beispiel für Außengastronomie oder komplexe Umbaumaßnahmen, zu bekommen, kann einen Anbieter schon mal zur Verzweiflung treiben. Diesbezügliche Erleichterungen wären wirklich wünschenswert!
HI HEUTE: Wo sehen Sie den stationären Einzelhandel im Jahr 2040?
Eckhard Brockhoff: Wenn die innerstädtische Umwandlung der Obergeschosse zu Wohnraum tatsächlich gelingt, werden wir 2040 sicher wieder vitale Cities erleben!
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