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Seit Sommer 2024 ist sie die neue Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA): Iris Schöberl. Sie trat die Nachfolge von Dr. Andreas Mattner an, der 15 Jahre an der Spitze stand. Seit über 35 Jahren ist die Bayerin in der Branche aktiv, hauptberuflich als Managing Director Germany bei Columbia Threadneedle Investments in München. 2023 wurde Iris Schöberl mit dem ULI Leadership Award in der Kategorie „Immobilienwirtschaft“ ausgezeichnet. Im Interview erzählt sie, was sie von Multi-Use-Immobilien und Flächenumwidmungen hält.
HI HEUTE: An vielen Standorten in Deutschland werden gerade große Multi-Use-Immobilien sowie Quartiere mit unterschiedlichen Nutzungsvarianten geplant. Seitens der Entwickler und Realisierer gibt es jedoch recht laute Kritik hinsichtlich schwieriger Rahmenbedingungen, Da geht es vielfach um gestiegene Baukosten, aber auch rechtliche bzw. bürokratische Hürden. Wie beurteilen Sie als neue ZIA-Präsidentin die derzeitige Situation?
Iris Schöberl: Das Schlimme ist, dass es diese Kritik schon länger gibt – weil sich auch schon viel zu lange nichts tut. Es hilft ja nichts, wenn große Mixed-Use-Immobilien oder Quartiere mit vielfältigen Nutzungsvarianten zwar in den Köpfen der Entwickler tolle Formen annehmen, aber in der Praxis politische Entscheiderinnen und Entscheider im Zeichen von Mikromanagement und einer Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Haltung weiterarbeiten wie bisher.
Dieses Denken ist in Kommunen übrigens besonders verbreitet. Wir müssen Bauen und Sanieren von Wohnungen und Gewerbe beschleunigen und dringend die Bauvorschriften vereinfachen – nicht ein bisschen, sondern grundlegend. Die Anwendung die unzähligen DIN-Normen und VDI-Richtlinien über die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ hat sich in den letzten Jahren nicht bewährt.
HI HEUTE: Ein anderes großes Thema sind derzeit die Flächenumwidmungen der ehemaligen großen Warenhäuser – insbesondere nach der Schließung zahlreicher Galeria-Filialen. Was erwarten Sie, wird schwerpunktmäßig passieren? Welche Umnutzungsvarianten werden sich durchsetzen und warum?
Iris Schöberl: Wir brauchen hier unbedingt echte Dynamik. Nur erleben wir hier noch immer zu oft „Kreativität trifft altes Denken“. Denn der Umbau dieser Immobilien wird durch lange Umplanungs- und Genehmigungszeiten plus übermäßige Regelungsdichte eine sehr teure Sache – weil der Bestandsschutz mit der Umwandlung in eine andere Nutzung erlischt und zum Beispiel viele Immobilien mit Auflagen des Denkmalschutzes belegt sind.
Die wichtigste Frage ist jetzt also: „Wie lässt sich mehr möglich machen?“ Beim klassischen Neubau wie bei Fragen der Umnutzung und Nachnutzung von Kaufhäusern oder Bürogebäuden ist dies ein Schlüsselpunkt. An der Kernfrage wird sich entscheiden, welche Varianten sich durchsetzen.
HI HEUTE: Der stationäre Einzelhandel und die Gastronomie haben in der Vergangenheit viele ähnliche Herausforderungen bewältigen müssen. Schaffen sie es jetzt, gemeinsam Wege zu finden, wie sie sich genseitig stärken und so auch die Innenstädte wieder attraktiver machen können?
Iris Schöberl: Ganz klar: Das ist eine sehr wichtige Aufgabe, noch besser zusammen zu bringen, was schon heute gut zusammenpasst. Da geht es nicht nur um zwei Wirtschaftszweige, sondern auch um die Attraktivität der Innenstädte als Orte von Spaß, sozialen Kontakten und Genuss. Der Einzelhandel ist das Herz der City. Und damit unfaire Nachteile die Situation nicht unnötig schwer machen, müssen die Öffnungszeiten weiter gelockert werden.
Denn sonst ist der stationäre Handel weiter chronisch benachteiligt gegenüber dem Onlinehandel. In einigen Regionen Deutschlands tut sich da schon ein bisschen. Aber ich bin sicher: Da geht mehr. Viel mehr.
Energetische Themen rückten zuletzt immer mehr in den Vordergrund. Sie beeinflussen nicht nur Neuentwicklungen großer Immobilien, sondern auch den Bestand. Mögliche neue gesetzliche Regelungen werden derzeit heiß diskutiert. Wie ist hier Ihre Prognose, was passieren wird und was erwarten bzw. fordern Sie diesbezüglich von der Politik?
Iris Schöberl: Die Prognose hängt natürlich stark davon ab, wie sich in Deutschland künftig politische Mehrheiten bilden. Es gibt beim Neubau aktuell eine viel zu starke Konzentration auf die Gebäudehülle.
Überzogener, realitätsferner Ehrgeiz bringt uns hier nicht weiter! Fest steht: CO2 zu reduzieren durch immer mehr Dämmen wird uns nicht weiterbringen. Das ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch mehr als zweifelhaft. Hier gilt nicht „viel hilft viel“, sondern „gezielt hilft viel“. Beim Klimaschutz in Deutschland und in Europa insgesamt muss es vorangehen, ganz klar. Deshalb ist es umso erstaunlicher, dass das Potenzial nicht ausgeschöpft wird.
Die Taxonomie lenkt bisher Kapitalströme in Gebäude, die wegen der Bauanforderungen ohnehin schon besonders energiesparend und emissionsarm sind. Verbesserungen eines Gebäudes von Energieklasse G auf C aber helfen dem Klima bis zu zehnmal so stark wie von B auf A. Mit vergleichsweise geringem Aufwand lassen sich ineffiziente Gebäude energetisch deutlich upgraden – zum Beispiel auf ein C. Hier braucht es Anreize für privates Kapital, in das Renovieren im Bestand zu investieren.
HI HEUTE: In Quartiersentwicklungen liegen ungeheure Chancen, Stadtteilleben neu zu denken. Was halten Sie hier für die wichtigsten Elemente und ist davon auch vieles für die Zentren zu übernehmen?
Iris Schöberl: Das Wichtigste ist ein Nutzungs-Mix, der sich an der Lage vor Ort, am Standort, orientiert. Die Interessen aller Stakeholder wie Anwohner, Unternehmen, Behörden, Nachbarn müssen individuell berücksichtigt werden. Es gibt also hier nicht die Universalantwort, die für alle passt. Chancen zur Umsetzung einer „Stadt der kurzen Wege“ oder „15-Minuten-Stadt“ müssen genutzt werden.
Die Palette innerhalb des Quartiers mit Wohnen, Büro, Sport und Freizeit belebt die Erdgeschosszonen und sorgt für ein breites, bürgernahes Angebot: Lebensmittel, Apotheken, Ärzte, allgemeine Gesundheitsversorgung – die Vielfalt erweist sich als Magnet für alle innerhalb des Quartiers. Dabei ist völlig klar: Mobilitätskonzepte müssen immer mitgedacht werden. Resilienten Stadträumen mit viel Grünflächen, einer gebäudeübergreifenden Energieversorgung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes runden das Ganze ab.
HI HEUTE: Wie wird ein typischer Fußgängerzonen-Mix in einer klassischen deutschen Mittelstadt in zehn Jahren aussehen?
Iris Schöberl: Die heute oft auf Einzelhandel konzentrierte Nutzung wird deutlich vielfältiger sein. Es gibt also etwas wie „Handel plus“ – mit mehr öffentlichen Einrichtungen von Behörden bis Bücherhallen, Kulturangeboten, Healthcare, Frei- und Grünflächen, und das alles mit modernen Mobilitätskonzepten für gute Erreichbarkeit. Wie gesagt: Der Einzelhandel ist und bleibt das Herz der City.
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