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11. April 2022

Alltäglich, aber nicht selbstverständlich

EINIGE GEDANKEN ZU UNSEREN INNENSTÄDTEN – GASTBEITRAG VON STEFAN POSTERT, UTE MARKS & JENS NUSSBAUM (STADT + HANDEL)
So macht Innenstadt Spaß! Foto: Stadt + Handel
Innenstadt-Akteure. Grafik: Stadt + Handel

Wie sieht eigentlich das Erlebnis in der Innenstadt von morgen aus? Wenn wir jetzt in eine Zeitmaschine einsteigen und uns in die Zukunft vorspulen könnten, auf welche Innenstadt würden wir dann gerne treffen? Was zeichnet sie aus? Was wird sie sein?

 

Vielleicht ein zwanzigstündiger Mix aus Handel, Gastronomie, Kultur, Kreativität und Gemeinschaft.

Oder ein gerechter, nachhaltiger und freundlicher Ort, der sein historisch wertvolles Stadtbild feiert und wo multikulturelle Lebendigkeit, Unternehmer:innengeist und Innovation lebendig sind.

Oder ein Ort, an dem geschützte Natur und kreatives Stadtleben erfolgreich zusammenfinden – in einem Modell ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit.

Oder ein Ort, an dem digitale Technologie angenommen wird und uns mit unseren Tageshemen verbindet, dank unser Doppelten Anwesenheit sowohl lokal als auch rund um den Globus.

Oder ein Ort, an dem jede und jeder willkommen ist und sein möchte.

Bestimmt. Vielleicht. Oder doch ganz anders? Um zu dieser oder zu einer anderen Zukunftsversion für jede einzelne unserer Innenstädte zu gelangen, braucht es viele mutige Ideen und Vorschläge, die es zu ermitteln, zu kuratieren und umzusetzen gilt. Einige von ihnen werden einfach zu implementieren sein. Andere benötigen mehr Zeit und noch mehr Einfallsreichtum. Dafür braucht es Strukturen, die kurzfristig handlungsfähig und dauerhaft tragfähig sind. Und es erfordert Geschäftsmodelle, die eine neue Wirtschaftlichkeit unserer Innenstädte abbilden. Denn staatliche Alimentierung ist eine Brücke, aber keine dauerhafte Lösung.

Das Gesicht unserer Innenstädte wird sich nach der Covid-19-Pandemie deutlich verändern. Ob zum Guten oder zum Schlechten hängt maßgeblich von der Zukunftsfähigkeit der Angebotsstrukturen (insbesondere auch jenseits des Einzelhandels), der Kooperations- und Mitmachbereitschaft der relevanten Stakeholder und der kreativen Nutzung des Potenzials vorhandener Räume (öffentlich wie auch privat) ab. Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, gilt es die DNA des „Dritten Ortes“ Innenstadt wiederzuentdecken – um nicht mehr, um nicht weniger. Die Komplexität dieser Aufgabe kann erschrecken. Daher muss sie handhabbar organisiert und motivierend gestaltet – und sie muss sichtbare Ergebnisse erzielen!

Ein Prozess, kein Projekt

Die Herausforderungen und die damit einhergehenden Aufgabenstellungen fordern allerdings eine Betrachtungsebene ein, die weit über raumordnerische Grundzeichnungen hinausgeht. Daher gilt es, die Innenstädte als den Ort zu betrachten, den die Menschen in Zukunft erleben möchten. Und dies nicht allein in Hearings mit Expert:innen und Fachleuten, sondern sehr konsequent auch mit den Menschen, die Urbanität in unseren Innenstädten produzieren. Die unsere Innenstädte liebenswert, lebenswert und lohnenswert machen – durch ihr Tun und Handeln. Und die als Gleichgesinnte ihrer Innenstadt mutig und miteinander denken und handeln. Urbanitätsstifter:innen, die gegenseitig um Zustimmung und Engagement werben. Die gemeinsam mit der Stadt Ideen zum Leben zu erwecken. Treiber:innen und Entscheider:innen in einem dauerhaften Prozess, geprägt von neuer Kollaboration und weitreichender Intervention.

Denn, es tut Not: In vielen Innenstädten offenbart sich gerade ihre funktionale Schieflage. Die lange ersichtliche, aber jetzt erst wahrgenommene kommerzielle Dominanz in ihren Innenstädten fällt den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sprichwörtlich auf die Füße. Der Aderlass ist groß und in Teilen noch nicht wirklich absehbar. Was, wenn dem Einzelhandel nicht mehr Einzelhandel folgt? Was, wenn altbekannte und etablierte Geschäftsmodelle innerstädtischer Immobilien wegbrechen? Was, wenn die Leistungserbinger:innen unserer Urbanität zu Leistungsempfänger:innen werden? Die Dimension und Komplexität der Aufgabenstellung ist vielerorts völlig neu und weder mit sektoralen Strategien noch mit bekannten Lösungsansätzen zu bewältigen.

Neue Governance statt Business-as-usual

Der derzeitige Ansatz der sogenannten Governance – also der Planung, Organisation und der Steuerung einer Innenstadt – ist oft ein isolierter Ansatz: Ein Team entwirft Pläne zur Wiederherstellung nach einem außerordentlichen Ereignis wie Corona, ein anderes Team befasst sich mit Nachhaltigkeitsthemen, ein anderes konzentriert sich auf Lebensunterhalt und Wohlbefinden und ein weiteres auf Stadtplanung und Infrastruktur. Das mag ein effizienter Weg sein, um die Arbeit einer Innenstadt zu strukturieren, aber es ist nicht der effektivste. Innenstädte sind Systeme, keine Silos! Innenstädte bestehen aus Menschen, aus Orten und aus Milieus, die sich oft schnell verändern.

Die neue Normalität erfordert unabhängig ihrer Laufzeit und Gültigkeit neue Governance-Modelle, die für die Innenstädte das Risiko mindern und zugleich die Fähigkeit erhöhen, auf die Entwicklung neuer, unerwarteter Herausforderungen adäquat zu reagieren. Business-as-usual-Modelle für eine reaktive Planung und eine isolierte Entscheidungsfindung können für die (Innen-)Städte nicht die grundlegende Stärke und Flexibilität erzeugen, die erforderlich sind, um angesichts des akuten Corona-Schocks und den chronischen Belastungen der Innenstädte erfolgreich zu sein.

Es bedarf eines wirksamen Immunsystem, dass unsere Innenstädte stärkt und gegen äußere Einflüsse widerstandsfähig macht. Das setzt allerdings voraus, dass wir das Verständnis für die Risiken vertiefen, welche die Stabilität der innerstädtischen Strukturen gefährden. Nur im Wissen dessen und in Anerkennung bestehender und bevorstehender Herausforderungen können passende „Immunantworten“ in Form pragmatischer Maßnahmen und passgenauer Konzepte entwickelt werden. Es gilt, die Kapazitäten und Risiken unserer Innenstädte ganzheitlich zu betrachten, auch und insbesondere durch eine sinnvolle Zusammenarbeit aller Akteure der Stadtgesellschaft. Beileibe, keine leichte Aufgabe.

Sinnstiftende Transformation

Bei alledem gilt es, die sich stetig verändernde Visitor Journey im Auge zu behalten und dieser Rechnung zu tragen. Das setzt voraus, dass unsere Innenstädte deutlich wandlungsfähiger werden müssen, als sie es bis jetzt sind. Innenstädte müssen nicht nur den Konsum befriedigen – nein, sie müssen auch intelligent, grün und menschenfreundlich sein, und vor allem eins: resilient. Eine belastbare innerstädtische Zukunft erfordert die Bewältigung von Herausforderungen und die Schaffung von Lösungen auf ortsbezogene, integrierte, integrative, risikobewusste und zukunftsorientierte Weise. Dabei reagiert die urbane Resilienz – abgesehen von Corona – auf konvergierende Megatrends, wie den Klimawandel, die Urbanisierung und die Digitalisierung und umfasst auch die Fähigkeit, sich anzupassen und sich von Krisen zu erholen. Standzuhalten und zu wachsen, unabhängig davon, welchen chronischen ökologischen, sozialen, ökonomischen und technischen Belastungen und akuten Schocks eine Innenstadt ausgesetzt ist. Kurzum, eine sinnstiftende Transformation zu ermöglichen.

Deshalb geht es bei der Innenstadtentwicklung nicht (nur) um die großen Maßnahmen. Um den einen „großen Wurf“. Ganzheitliche Strategien für eine substanzielle und zugleich nachhaltige urbane Zukunft verknüpfen mehrere kleine Lösungen zu einem zusammenhängenden Ganzen. Ein guter Plan für eine attraktive Innenstadt basiert auf einem multidisziplinären Ansatz. Auf einem Prozess, in dem Akteure und Akteursgruppen ganz unterschiedlicher Profession und Kompetenz eingebunden sind. Dabei liegt es nah, sehr konsequent öffentlich-private Partnerschaften mitzudenken, im Rahmen derer neue Ansätze entwickelt werden. Eine Stadt, die zusammenarbeitet, ist stärker. Unabhängig ihrer Größe oder raumordnerischen Kategorisierung.

 

Daher nochmal: Innenstadtentwicklung ist ein Prozess, kein Projekt! Und sie ist komplex – sektorales Handeln und das Betreten der immer gleichen, ausgetretenen Pfade bringt keinen weiter. Das Wichtigste jedoch ist: Es gilt mutig und gleichzeitig pragmatisch zu sein! Es gilt zu fordern und gleichzeitig alle relevanten Stakeholder zu motivieren! Denn die Herausforderungen der Zukunft werden wir nicht mit dem Denken und Handeln der Vergangenheit meistern – und schon gar nicht allein.

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