In der Corona-Krise setzen etliche Unternehmen ihre Mieten aus. Eckhard Brockhoff, Geschäftsführender Gesellschafter bei Brockhoff & Partner Immobilien GmbH, hat sich Gedanken gemacht. „Viele Einzelhandels-Filialisten zeigen sich als Trittbrettfahrer und bringen Vermieter in finanzielle Schwierigkeiten“, meint er.
Eigentlich hatte sich die Politik ein Hilfspaket für Wohnungsmieter mit ernsten finanziellen Schwierigkeiten ausgedacht. Dies würden manche Filialisten nun ausnutzen. „Gegenseitige Einigung? Fehlanzeige! Kopierte Briefe an den Vermieter und überlastete Hotlines lassen kaum eine persönliche Einigung, mit der beide Parteien leben können, zu. Anstelle ihre Liquiditätsprobleme an Eides statt zu versichern, so wie es die neue Gesetzeslage vorsieht, drohen sie dem Vermieter mit dem Anwalt. Die Forderung vom HDE-Vorsitzenden Stefan Genth, Vermieter sollen pauschal auf 50 Prozent Miete verzichten, können sich viele Vermieter schlichtweg nicht leisten“, umreißt Eckhard Brockhoff die Situation.
Drohung mit dem Anwalt
„Wenn die betreffenden Unternehmen wenigstens verkünden würden, dass sie selbst auch Gehaltskürzungen in den Chefetagen vornehmen, dann hätte man als Vermieter noch mehr Verständnis. Aber anstelle dessen wird alles auf den Vermieter abgeladen. Mir liegen viele kopierte Briefe mit unpersonalisierten E-Mail-Adressen und überlasteten Hotlines vor, in dem die Miet- und Nebenkostenaussetzung einfach verkündet wird. Vorsichtshalber wird, zumindest teilweise, direkt mit dem Anwalt gedroht. So kann man als Vermieter nicht einmal ins Gespräch gehen und eine Lösung erzielen, die für beide Parteien gütig ist“, beschwert sich Eckhard Brockhoff über das Verhalten von immer mehr Einzelhandels-Filialisten, die das ursprünglich für Wohnungsmieter gedachte Hilfspaket nun umkehren und so Vermieter in die Existenznot bringen. Der Einzelhandelsimmobilien-Experte ist enttäuscht von einigen Einzelhandelsunternehmen. Zumal es sich zum Teil um jahrzehntelange Mietpartnerschaften handelt.
Um Bankmittel bemühen
Einige dieser Unternehmen haben vor kurzem noch in der Öffentlichkeit davon berichtet, dass sie ohne Fremdmittel arbeiten. „Es ist doch keine Schande, wenn sie sich in dieser Phase auch mal um Bankmittel bemühen, um ihre Liquidität zu sichern. Das ist doch ganz natürlich“, ist Brockhoff überzeugt.
Es gebe immer mehr Unternehmen, die sich dieser Methoden bedienen, beschreibt er die aktuelle Lage. Adidas sei zurückgerudert, Deichmann bisher nicht. Die Schuhhauskette zahle keine Nebenkosten und keine Miete. Die Parfümerie Pieper zahle Nebenkosten, aber keine Miete. Das Unternehmen KIND-Hörgeräte, das seine Läden überwiegend noch in Betrieb habe, habe auch Miet- und Nebenkostenzahlungen abgelehnt, sei aber wohl im Einzelgespräch mit Eigentümern kompromissbereit. Gerry Weber habe nicht nur bekannt gegeben, keine Miet- und Nebenkosten mehr zu zahlen, sondern wolle auch Teile der März-Zahlungen zurückerstattet bekommen. Ernsting’s Family wolle ebenfalls keine Miet- und Nebenkosten zahlen. Genauso die Thalia Buchhandlung . Das Unternehmen Bijou Brigitte zeige sich im persönlichen Gespräch kompromissbereit. Auch der Modehersteller H & M spreche von Stundungen und wolle sich nur um Einzelfälle bemühen.
Hilfspaket wird ausgenutzt
Von der Einzelfallregelung ist bei mehreren Einzelhandelsunternehmen zu hören. Bedeutet dies doch im Umkehrschluss, dass dann nicht mehr der Mieter, sondern der Vermieter offenlegen muss, dass er eine finanzielle Notlage hat. „So hat die Politik das nicht gemeint. Hier wird das Hilfspaket ausgenutzt und umgekehrt. Da muss von politischer Seite dringend nachgebessert werden“, fordert Eckhard Brockhoff, der seit über 30 Jahren Einzelhandelsimmobilien im ganzen Bundesgebiet vermarktet und mehr als 18.750 Kontakte zu Hauseigentümern von Immobilien in Fußgängerzonen verfügt.
Währenddessen kommen die Eigentümer der Immobilien immer mehr ins Schwitzen, weil sie ihre Zins- und Tilgungszahlungen an die Banken leisten müssen und ohne die Einzelhandels-Mieteinnahmen, die häufig der größte Teil der Mieteinnahmen sind, ist das in einigen Fällen schwierig oder gar unmöglich, beklagt Brockhoff.
Viele Eigentümer kompromissbereit
Viele Eigentümer seien auch bereit, sich über Stundungen Gedanken zu machen. Nur bedauern sie, dass sie nicht einmal die Möglichkeit haben, mit den Mietern darüber zu sprechen. „Der Gipfel ist das Verhalten von Edeka Nord, das bekannt gibt, dass es durch Corona Umsatzzuwächse verbucht, aber die Mieten nur unter Vorbehalt zahlt. Da wird den Eigentümern der Objekte Angst gemacht. In jeder Familie gibt es ein schwarzes Schaf. In der Edeka-Familie ist dies offenbar Edeka Nord. Peinlich.“, sagt Eckhard Brockhoff.
Der Vorsitzende des HDE, Stefan Genth, fordert einen Mietverzicht der Vermieter um 50 Prozent. „Sorry, das geht so einfach und pauschal nicht. Vor allem nicht über längere Zeit. Niemand weiß heute genau, wie lange die Corona-Krise zur Schließung der Läden führt. Von daher ist es absolut unverständlich, dass Weltkonzerne wie Deichmann bereits wenige Tage nach der Zwangsschließung der Läden die Hauseigentümer anschreiben und Miet- und Nebenkostenzahlungen aussetzen. Diese Unternehmen müssten in der Lage sein, eine solche Krise zu überstehen“, äußert Brockhoff sein Unverständnis. Der Immobilien-Experte bedauert zudem, dass man wenig von den Berufsverbänden hört und diese nicht entgegensteuern. Er sieht diese in der Pflicht, Stellung zu beziehen. Denn Hauseigentümer haben keine eigene Lobby.
Krise aus Eigenmitteln meistern
Seine eigene Unternehmensgruppe hat keine Kurzarbeit angemeldet und will die Krise aus eigener Kraft meistern. Und wenn die Kraft der Firma nicht reicht, dann muss die Kraft des Unternehmers, der zuvor viele Jahre von der Kraft seiner Firma gelebt hat, einspringen. „Das ist doch nur natürlich. Notfalls muss ich in mein eigenes Portemonnaie greifen. Diese Verantwortung trage ich als Unternehmer. Leider scheint diese Kultur in vielen, besonders in großen Firmen nicht vorhanden zu sein“, kommentiert Brockhoff seinen Weg der Unternehmensführung.
In dem Vermietungsbestand von Eckhard Brockhoff und seinen Gesellschaften zeige sich, dass Familienunternehmer, die ein Laden oder ein Geschäft betreiben, viel eher zum persönlichen Gespräch bereit und um eine Lösung bemüht seien, die beiden Seiten hilft. Hier herrsche eine ganz andere Moral als bei den großen Konzernen. „So ist es richtig. Denn wenn ein Mieter wirklich in Not ist, wird sich doch auch jeder Vermieter kompromissbereit zeigen und helfen“, ist sich Brockhoff sicher.
Einzelhändler dominieren kleine Städte
In persönlichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern ergibt sich auch, dass diese zunächst die Nebenkostenzahlungen aussetzen und nach der Corona-Krise versuchen, die Mietzahlungen von den Vermietern storniert zu bekommen. Dazu sind aber viele Eigentümer nicht in der Lage, insbesondere in Klein- und Mittelstädten. Dort diktieren aber die Einzelhandelsunternehmer den Markt. In großen Städten wie München sieht es anders aus. Da sind die Vermieter am längeren Hebel und können sich die Mieter aussuchen. In kleineren Städten, in denen ohnehin ein hoher Leerstand in den Einkaufsstraßen herrscht, sind die Mieter wesentlich dominanter. „Viele Hauseigentümer werden gezwungen sein, ihre Häuser zu verkaufen. Zu welchen Preisen auch immer. Hauptsache, sie können die Liquidität ihrer Familien sicherstellen“, meint Brockhoff.
Aufschwung nach Lockdown
Das Klagen über schlechte Umsätze sei schon seit Jahren der Gruß der Einzelhändler. Das werde sich entsprechend vertiefen, obwohl Eckhard Brockhoff davon ausgeht, dass nach Öffnung der Läden die Umsätze enorm ansteigen werden. „Die Menschen werden froh sein, wieder in die Innenstädte gehen zu können. Um dort zu verweilen und auch Käufe zu tätigen“, prognostiziert Brockhoff. Dies bestätigen internationale Handelsunternehmen durch ihre Erkenntnisse aus China, wo wochenlang die Läden geschlossen waren und dann in einer Woche Umsätze erzielt wurden, die die Einbußen noch übertroffen haben. Von daher sei von einem sprunghaften Anstieg der Umsätze auszugehen. Wenn auch die Lager voll seien und erhebliche Abschreibungen auf die Warenbestände notwendig sein würden. „Insgesamt können die Innenstädte nach der Krise profitieren, da die Menschen wieder lieber einkaufen gehen. Einkaufen gehört zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen und wird einen Anstieg erleben. So werden die Umsätze sicher nachgearbeitet werden können“, so Brockhoff.
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