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Anfang des Jahres ist das vierte Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft getreten. Eine praktisch sehr bedeutsame Neuregelung betrifft das Gewerberaummietrecht. Für langfristige Mietverträge gilt nunmehr die Textform des § 126 b BGB (§ 578 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Die Textform stellt von allen gesetzlich vorgesehenen Formen die geringsten Anforderungen auf. Ihr kommt vorrangig Informations- und Dokumentationsfunktion zu. Das heißt, dass lediglich lesbare Erklärungen unter Nennung der Person des Erklärenden (keine Unterschrift) erforderlich sind und die Abgabe der Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (Papier, Festplatte, USB-Stick, Speicherkarte, CD-Rom, DVD, E-Mails, etc.) erfolgen muss. Die elektronische Erstellung und Übermittlung, etwa per Computer-Fax, E-Mail, SMS, Mobile Instant-Messenger oder soziale Netzwerke sind somit ausreichend, um dem Textformerfordernis in der Gewerberaummiete Rechnung zu tragen.
Von dem bisherigen Schriftformerfordernis (§ 550 BGB) hat der Gesetzgeber bewusst Abstand genommen. Mit der Neuregelung will der Gesetzgeber die Fälle einer Kündigung aufgrund eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis reduzieren. Ob diese Intention mit der neuen Schriftformregelung verwirklicht werden kann, erscheint bedenklich, da neue Problemfelder entstanden sind. Diese betreffen hauptsächlich Fragen nach dem Vertragsschluss.
Fall 1: Nicht beigefügte Mietvertragsdatei
Sachverhalt: Nach mehrmonatigen Vertragsverhandlungen übersendet Vermieter V an Mieter M die finale Version des Gewerberaummietvertrages als PDF-Datei. Die PDF-Datei ist von V elektronisch signiert. In der entsprechenden Begleit-E-Mail heißt es: „Sehr geehrter Herr M, beigefügt überreiche ich Ihnen den finalen Vertragsentwurf, den ich bereits signiert habe, mit der Bitte um Gegenzeichnung in Textform. Mit freundlichen Grüßen V.“ M antwort per E-Mail Folgendes: „Sehr geehrter Herr V, vielen Dank für Ihre Nachricht und die signierte PDF-Datei. Ihr Angebot nehme ich hiermit an. Mit freundlichen Grüßen M“. Seiner Antwort-E-Mail hat M keine PDF-Datei beigefügt. Ist ein Mietvertrag in Textform zustande gekommen?
Die Frage, ob der Mietvertrag trotz nicht beigefügter PDF-Datei formgemäß zustande gekommen ist, ist umstritten. Nach dem (reinen) Wortlaut des § 126 b BGB ist es für das Textformerfordernis gerade nicht erforderlich, dass jede Vertragspartei eine von der anderen Seite unterzeichnete Fassung des Vertrag zumindest per Fax erhalten hat (vgl. § 126 Abs. 2 BGB). Dementsprechend wird es zum Teil für ausreichend erachtet, dass der in Textform übersandte Vertragsentwurf lediglich per (einfacher) Antwort-E-Mail mit „Ja“ oder „einverstanden“ unter Bezugnahme auf den zugegangenen Vertragsentwurf angenommen wird. Gegen eine solche Annahme spricht allerdings die generelle Begründung für die Einführung des § 126 b BGB. Darin heißt es: „Da die Textform für die Fälle in Betracht kommt, in denen ein der strengen Schriftform vergleichbarer Sicherheitsstandard nicht erforderlich ist, eignet sie sich nicht für Fälle, in denen einer Erklärung eine hohe Warn- oder Beweisfunktion zukommt. … Im Einzelnen ist die einzelfallbezogene Zuordnung zur Textform vor allen Dingen nach folgendem Maßstab zu prüfen: Je mehr für eine Formvorschrift die Antwort „Informations- oder Dokumentationsfunktion“ im Verhältnis zur „Beweisfunktion“ überwiegt und je mehr die „Warnfunktion“ für den Erklärenden keine oder eine untergeordnete Rolle spielt, desto mehr spricht für eine Abschichtung in Richtung Textform. …“ (vgl. BT-Drucks. 14/4987, 18 ff.). Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde diese Fragestellung aufgeworfen und speziell eine Ergänzung zu § 126 b BGB gefordert (vgl. BT-Drucks. 20/11306, 146). Von der Bundesregierung wurde dieser Vorschlag indes nicht weiter verfolgt (vgl. BT-Drucksache 20/11306, 165).
Praxishinweis: Von daher bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung entsprechende Erklärungen („bloße Antwort-E-Mail“) ausreichen lässt. Bejahendenfalls ist zu klären, ob und welche Voraussetzungen als Minimum verlangt werden, ob also die bloße E-Mail des M ohne Wiedergabe der E-Mail des V mit folgendem Text „Ihr Angebot nehme ich an“ zur Textformwahrung ausreicht. |
Fall 2: Bauliche Veränderungen am Mietgegenstand
Sachverhalt: Zwischen den Parteien besteht ein Gewerberaummietvertrag (MV) mit einer festen Laufzeit bis zum 31.08.2025. In § 1.2 Satz 5 MV ist geregelt, dass die Mieterin die in der Anlage 13.1 MV aufgeführten Umbaumaßnahmen auf eigene Kosten durchführen wird. Es wurde die schriftliche Zustimmung der Vermieterin zum Bauantrag der Mieterin eingeholt und erteilt. Der mit diesem Bauantrag eingereichte Grundriss des Erdgeschosses weicht stark von dem in Anlage 13.1 MV enthaltenen Grundriss des Erdgeschosses, und zwar durch eine erheblich geänderte Raumaufteilung durch Umplanungen bei zahlreichen Trennwänden etc. In § 13.1 Satz 3 MV ist geregelt, dass die Vermieterin zu von der Anlage 13.1 MV abweichenden baulichen Veränderungen zustimmen muss. Im Jahr 2022 erklärt die Vermieterin die Kündigung und beruft sich u.a. auf einen Schriftformverstoß.
Das KG (Beschl. v. 16.03.2023 – 8 U 178/22) hat einen Schriftformverstoß angenommen, da die Vermieterin lediglich schriftlich die Zustimmung zum Bauantrag der Mieterin erteilt hat und die (abweichenden) Baumaßnahmen gerade nicht in einem Nachtrag dokumentiert wurden. Mit der Neuregelung in 578 Abs. 1 BGB n. F. dürfte ein Formverstoß nunmehr ausscheiden, da mit der schriftlichen Zustimmungserklärung der Vermieterin eine der Textform des § 126 b BGB genügende Erklärung vorliegt.
Praxishinweis: Im Hinblick auf die gesetzliche Schriftform des § 550 BGB hat sich in der Praxis eine kaum übersehbare Kasuistik herausgebildet. Diese betrifft nahezu sämtliche (wesentliche) Vertragsbedingungen wie die Vertragsparteien, den Mietgegenstand, die Laufzeit des Mietvertrages, finanzielle Belastungen etc. Auf die Neuregelung über § 578 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. dürfte diese Rechtsprechung, dass alle wesentlichen Vertragsbedingungen dem Formerfordernis unterfallen, auch für die neue Textform gelten, so dass sich die vorherigen Fallbeispiele beliebig fortführen lassen. |
Angesichts der (neuen) Probleme des Textformerfordernisses gehen viele Vermieter und auch Mieter dazu über, in Mietverträgen/Nachträgen eine sog. gewillkürte Schriftform (§ 127 Abs. 1 BGB) zu vereinbaren.
Beispiel: „Nebenabreden sind nicht getroffen. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen mit Hinweis auf die besonderen Rechtsfolgen der §§ 550, 126, 578 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§§ 126, 127 BGB). Auf die Einhaltung des Schriftformerfordernisses selbst kann nur schriftlich verzichtet werden. Die Textform (§ 126 b BGB) wird ausgeschlossen, so dass E-Mails, maschinell erstellte Briefe, Telefax-Nachrichten, Textnachrichten per SMS, WhatsApp, Threema die andere Messenger, oder andere Textformen für sonstige elektronische Erklärungen nicht ausreichend sind. Ebenfalls wird die elektronische Form (§ 126 a BGB) ausgeschlossen.“
Ob mit solchen „Schriftformklauseln“ die derzeitigen Rechtsunsicherheiten korrigiert werden können, bleibt abzuwarten. Bedenken ergeben sich daraus, dass nach der Rechtsprechung des BGH „einfache“ Schriftformklauseln, die Vertragsänderungen die Schriftform vorschreiben, durch eine nachträgliche (formwidrige) Abrede der Parteien mit abbedungen werden. „Doppelte“ Schriftformklauseln sollen nach Auffassung des BGH nicht mit § 305 b BGB vereinbar und damit wirkungslos sein (vgl. BGH, Beschl. v. 25.01.2017 – XII ZR 69/16).
Praxishinweis: Mit Blick darauf, dass der BGH Schriftformheilungsklauseln insgesamt die Wirksamkeit abgesprochen hat und angesichts der zuvor skizzierten neuen Problemfelder, ist zu hoffen, dass hier in der Rechtsprechung „Lockerungen“ bejaht und Schriftformklauseln zukünftig (eher) als wirksam eingestuft werden. |
Das Problem des § 550 BGB, das darin bestand, das Schriftformmängel dazu genutzt wurden, einen unliebsam gewordenen (Miet-)Vertrag zu kündigen, ist weder behoben noch gelindert worden. Es stellt sich vielmehr in neuem Gewand und verstärkt neu dar. Anscheinend war es auch kein Anliegen der Reform, sämtliche Probleme zu lösen, wenn es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates heißt: „Eine darüber hinausgehende Lösung der rechtspolitischen Diskussion um den sog. Kündigungsjoker könne dieses Vorhaben nicht leisten“ (vgl. BT-Drucks 20/11306, S. 165).
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