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27. Dezember 2024

Die ewig veränderliche Zukunft des Handels

EXKLUSIVER EXPERTENBEITRAG VON PROF. DR. TOBIAS JUST (IREBS INTERNATIONAL REAL ESTATE BUSINESS SCHOOL DER UNIVERSITÄT REGENSBURG)
Prof. Dr. Tobias Just
Foto: IREBS

Das Statistische Bundesamt weist für das Jahr 2022 insgesamt 334.591 Unternehmen im Einzelhandel (ohne Kraftfahrzeughandel) aus, das sind über 83.000 Unternehmen weniger als 20 Jahre zuvor, und der Rückgang verlief bis auf den Corona-Schock stetig. Gleichzeitig gibt es heute rund zehn Prozent mehr Verkaufsfläche als vor 20 Jahren – auch wenn dieser Flächenanstieg allein bis 2010 erfolgte und seitdem eine Seitwärtsbewegung einsetzte. Beide Zahlen illustrieren die Herausforderungen im stationären Handel: Die Flächenkonkurrenz ist groß, und der damit verbundene Wettbewerbsdruck sorgt für geringe Margen. Und weil Online-Plattform geradezu beliebig erweiterbare Präsentierflächen bieten, ist der Druck durch den digitalen Wettbewerb deutlich verschärft worden.

Der stationäre Einzelhandel muss sich wieder einmal neu erfinden. In welche Richtung kann dieses Neuerfinden gehen? Hierzu ist es hilfreich, sich die Kernfunktion des Einzelhandels in Erinnerung zu rufen: Letztlich geht es darum, Transaktionskosten zu reduzieren. Transaktionskosten sind die Kosten für den Betrieb des (Markt-)Systems. Der Einzelhandel hat über Jahrtausende einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Waren der Produzenten in die Hände der Konsumenten zu bringen. Dazu gehörte natürlich die Logistik, also der physische Transport und Einlagern und Präsentieren dieser Güter. Es gehörte zusätzlich über Schaufenster, Preisschilder, Verkaufsgespräche die Informationsvermittlung dazu, und es gehörte das Auswählen von passenden Gütern dazu, denn die Ladenflächen waren immer begrenzt.

Die Internetwelt torpediert diese Funktionen, denn das Internet ermöglicht in mehrfacher Hinsicht noch geringere Transaktionskosten als der Einzelhandel, können die Hersteller doch via Plattformen direkt mit den Konsumenten in eine Beziehung treten, und weil die Grenzkosten zusätzlicher Informationen im Netz und zusätzlicher Angebote gegen Null gehen, haben Internetplattformen einen nicht schlagbaren Wettbewerbsvorteil in genau diesen Punkten.
Stationäre Händler müssen sich daher auf die verbleibenden Vorteile konzentrieren, und diese passen tatsächlich weiterhin genau zur Kernfunktion der gesparten Transaktionskosten. Insofern muss sich der Handel nicht wirklich neu erfinden, er muss aber seine Aktivitäten neu justieren.

Schauen wir auf die Logistik: Wenn die Güter direkt vom Händler zum Konsumenten transportiert werden können, bedarf es keiner zusätzlichen (teuren) Ladenflächen in Innenstädten. Das wäre ineffizient. Doch unschlagbar transaktionskosteneffizient - und auch ökologisch vorteilhaft – ist jener Konsum, der wie ein Portfolio auf dem Weg zwischen mehreren Läden en passant erfolgen kann. Dies ist besonders bei zeitkritischen Tagesbedarfsartikeln sowie den typischen Basics möglich. Hier kommt es auf die Organisation von Wegebeziehungen an, daher haben Shopping-Center hier einen Vorteil gegenüber den unkoordinierten Einkaufsstraßen.

Auch mit Blick auf die Informationsfunktion kann der stationäre Einzelhandel einen Vorteil ausspielen, allerdings geht es hierbei weniger um typische Preisschildinformationen und Produkteigenschaften; diese können im Netz besser und effizienter dargestellt und verglichen werden. Es geht um Erlebnisinformationen, das Haptische, Olfaktorische, Sensorische. Hier behält der stationäre Einzelhandel dauerhaft im wahrsten Sinne des Wortes die Nase vorn. Das Verkaufsgespräch dürfte zwar ebenfalls bedeutsam bleiben, doch hier ist zu vermuten, dass relativ zügig durch Künstliche Intelligenz gesteuerte Verkaufsavatare im Netz dies ebenfalls leidlich gut nach Eingabe hinbekommen werden. Der Handel sollte daher den größeren Fokus auf das Schaffen von Erlebniswelten und dann erst auf Beratung setzen.

Drittens bleibt ein häufig unterschätzter Aspekt im Optimieren der Transaktionskosten: das Kuratieren von Angeboten. So wie eine gute Zeitung die unwichtigen Informationen aussortiert und uns nur die wesentlichen Informationen aussiebt und idealerweise auch noch bewertet, übernimmt der stationäre Handel eine Auswahlfunktion. Und ähnlich wie ein Museumskurator kann der stationäre Einzelhandel ein Angebot zusammenstellen, das uns in kurzer Zeit überrascht, begeistert, verführt. Die Warenhäuser sind nicht nur deswegen an ihre Grenzen gestoßen, weil das Internet immer noch mehr Angebot bieten kann, sondern auch, weil Menschen bei einer zu großen Fülle an Informationen entscheidungsschwach werden. Werden uns nur Joghurts in zwei Geschmacksrichtungen offeriert, sagen wir Erdbeere und Vanille, sind wir rasant mit unserer Entscheidung und kaufen zügig ein. Werden uns jedoch allein sieben unterschiedliche Erdbeerjoghurts angeboten, sind wir rasch überfordert und schieben die Einkaufsentscheidung auf. Daraus könnte folgen, dass stärkere Spezialisierung lohnt, denn nur Spezialisierung macht das Kuratieren glaubwürdig, und dann wird dann bleibt auch das Verkaufsgespräch wertvoll.
Der stationäre Handel wird sich also dort leichter behaupten, wo Wege- und Sichtbeziehungen optimiert werden können, wo Erlebnisse entstehen und wo dem Kunden glaubhaft die Entscheidung durch Auswahl erleichtert wird. Alles andere kann ins Netz, auch durch die stationären Händler selbst. Natürlich gehört ein gutes gastronomisches Angebot ebenfalls zu den Erlebnissen dazu. Doch die Gastronomie kann den stationären Einzelhandel nicht im Alleingang retten. Gegessen wird zwar immer, aber nicht immerzu. Auch hier gibt es eine Grenze.

Diese Neuausrichtung könnte die Städte kurzweiliger, attraktiver machen, auch wenn einige Handelsflächen fortfallen werden. Dass dadurch neue Einzelhandelsmuster entstehen, begleitet den Einzelhandel seit Jahrhunderten, eine kurze Recherche in der (wissenschaftlichen) Literatur zum Wandel im Einzelhandel zeigt, dass sich hier in jeder Generation der letzten 100 Jahre neue, starke Verschiebungen ergaben. Diese Verwerfungen gehören so elementar zum Einzelhandel dazu, dass den Autoren schon lange die Ideen für Überschriften für Ideen ausgehen.

ZUR PERSON:

Prof. Dr. Tobias Just ist Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg sowie Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie.

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