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13. Mai 2016

DSCF 2016: „Gradmesser der Branche“

DAS „DEUTSCHE SHOPPING-CENTER FORUM“ HAT SICH IN WENIGEN JAHREN ALS PLATTFORM FÜR HANDEL- UND IMMOBILIENBRANCHE ETABLIERT.
Mehr als 350 Teilnehmer besuchten das "Deutsche Shopping-Center Forum 2016" in Bonn. Fotos: EHI / Steffen Hauser
Als „Gradmesser der Branche“ bezeichnete Moderator Jascha Habeck das „Deutsche Shopping-Center Forum“. Damit beschreibt er recht gut, zu was der Kongress in den vergangenen Jahren herangewachsen ist. Mehr als 350 Teilnehmer besuchten das Branchenevent, das das EHI Retail Institute und das „German Council of Shopping Centers“ (GCSC) erstmals im Hotel Kameha Grand in Bonn organisiert hatten. Der alte Veranstaltungsort in Düsseldorf bot nicht mehr ausreichend Platz. EHI-Geschäftsführer Michael Gerling spricht von einem Besucherzuwachs von 20 Prozent im Vergleich zu 2015. Omnichannel, immer neue Technologien und ein Online-Handel, der mit mehr als 50 Milliarden Euro Jahresumsatz in 2015 mittlerweile zehn Prozent Marktanteil erobert hat, treiben die Branche um. Dass Michael Gerling das Online-Wachstum als „beachtlich, aber immer noch überschaubar“ bezeichnet, macht deutlich, dass er an den stationären Handel glaubt. „Irgendwie hat diese Branche die Kraft, sich selbst zu erhalten“, sagt er.

Reise in die Zukunft

Und ohnehin sei die Digitalisierung längst tief verwurzelt im Alltag der Menschen, wie GCSC-Vorstand Klaus Striebich betont: „Ich würde es gar nicht als Trend, sondern als Teil unseres Lebens bezeichnen.“. Wie sehr dieses Thema die Branche aber noch verunsichert, demonstrierte der Vortrag von Nils Müller. Der Gründer von TRENDONE, einem Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Micro-Trends zu identifizieren, nahm die Zuhörer mit auf eine Zeitreise in Jahr 2025. „Das Digitale legt sich wie ein Nebel über die Welt“, erklärt er. Augmented Reality ist allgegenwärtig, Roboter mit künstlicher Intelligenz beraten Kunden, oder virtuelle Avatare begleiten die Menschen durch den Alltag, 3D-Drucker stehen in jedem Haushalt, und Smart Data macht die reale Welt so vermessbar wie heute schon das Internet. Eindrucksvoll zeigte auch der Big-Data-Manager Alexander Lange von Telefonica Germany, was mit längst vorhandenen Daten bereits heute möglich ist. Sein Unternehmen arbeitet zurzeit an „Mobility Insight“, was als mobilfunkgestützte Frequenzanalyse für den Handel interessant sein könnte. Aus den Daten von 43 Millionen Kunden insgesamt, die in Summe pro Tag vier Milliarden Datenpakete versenden, lassen sich in Echtzeit Bewegungspositionen erfassen. Hinzu kommen 17 Millionen Vertragskunden, die zusätzlich demografische Daten über Alter und Geschlecht liefern. „Das zusammen ergibt einen gigantischen Datenschatz“, so Lange. Er lässt sich für die Zielgruppen- und Standortanalyse sowie die Werbeplanung einsetzen.

Roboter auf der Bühne 

Wie nah die Zukunft ist, durften die Zuhörer bei Nils Müller direkt vor Ort in Bonn erleben, als der Shopping-Roboter der Firma MetraLabs auf die Bühne rollte. In Shanghai beraten 50 Roboter bereits Kunden in einem großen Möbelhaus, zeigen ihnen, wo sie bestimmte Waren finden, und unterhalten sie mit Minispielen. „Der Hauptnutzen ist, dass sie die Fläche beleben“, erklärt Metralabs-Mitgründer Dr. Andreas Bley. Ein anderes Modell seines Unternehmens macht aktuell beim Modefilialisten Adler allabendlich die Inventur – auch das demonstrierte Müller auf der Bühne.

Aber Trends wie 3D-Drucker oder Lieferungen an die Phone-Adresse werden aus Sicht von Müller den Einzelhandel noch weitaus mehr beeinflussen. Aktuell kostet ein 3D-Drucker der Firma AIO Robotics noch ungefähr 2000 Euro, aber bald schon „kosten sie nichts mehr“, prognostiziert Müller. Dann müssen Produkte nicht mehr gekauft, sondern einfach nur noch gedruckt werden. Auch Lieferungen an den Ort, an dem sich die Menschen mit ihrem Smartphone befinden, sind heute schon Realität. So bietet etwa der Mobilfunkanbieter E-Plus einen solchen Service in Belgien an.

Expansion im Einzelhandel

Was Nils Müller zu erzählen hatte, hallte noch lange auf dem „Deutsche Shopping-Center Forum“ nach. So räumte Dr. Andreas Martin, Geschäftsführer der Concepta Projektentwicklung GmbH, zu Beginn des Forums Leasing ein, dass ihm diese Trends durchaus Sorge bereiten, wie es zukünftig um die Geschäftsmodelle des Einzelhandels bestellt sein würde. Aber zusammen mit Johan Bergenthal, COO von Klépierre Germany, trat er direkt den Gegenbeweis an. André Gunselmann, Geschäftsführer der Mensing Holding GmbH, und Björn Zeppenfeld, Geschäftsführer der Görgens Gruppe, expandieren beispielsweise mit ihren Modegeschäften auch im schwierigeren Umfeld von Mittelstädten. Dabei erklärten sie, dass gerade der emotionale Ladenbau ein Alleinstellungsmerkmal des stationären Handels sei. „Das ist das Gegenmodell zum Internet“, so Zeppenfeld. Auch Lars Clamor, Leitung Expansion West bei Jeans Fritz, hebt die Bedeutung tradierter Werte hervor. Traditionell, bodenständig und beständig will sein Unternehmen sein. Dass bei solchen Konzepten der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle spielt, bestätigte Kornelia Adam. Bei der Stadtparfümerie Pieper ist sie für die Expansion verantwortlich und sagt: „Die individuellen Bedürfnisse des Kunden stehen bei uns Mittelpunkt.“ Beratung sei hier wichtig, gutes Personal die Grundlage dafür. „An dieser Stellschraube wollen wir nicht drehen, weil der Kunde von uns Beratung erwartet“, sagt sie. Dass die Mitarbeiter das „höchste Gut“ bei Pieper sind, zeigt sich auch daran, dass pro Jahr mehr als 200 Schulungen in der eigenen Ausbildungsakademie „Beauty Forum“ stattfinden. Wie attraktiv der deutsche Markt ist, belegte der polnische Schuhfilialist CCC, der seit 2013 hierzulande expandiert. Ende 2015 betrieb das Unternehmen laut Deutschland-Geschüftsführer Fabian Kampa 78 Geschäfte in Deutschland und Österreich. „Wir bauen in Deutschland die Zukunft unseres Unternehmens“, sagt er. Das bedeutet auch, dass CCC weiterhin stark expandieren will.

Trend zum externen Expansionsleiter

Auch die Alnatura Produktions- und Handels GmbH verfolgt eine ambitionierte Expansionsstrategie. In den nächsten Jahren will der Bio-Lebensmittel-Händler laut Expansionsleiter Kalja Kolander von 100 auf 200 Filialen wachsen. Ob es dazu immer einer eigenen Expansionsabteilung bedarf, wurde auf dem „Deutschen Shopping-Center Forum“ allerdings rege diskutiert. Jens Betge, Geschäftsführer von Jens Betge Real Estate, glaubt, dass der Trend hinführt zu externe Expansionsleitern. Aus seiner Sicht mache das vor allem aus Kostengründen für kleinere Unternehmen Sinn, die nur wenige Filialen pro Jahr eröffnen. „Das wird aber nicht von jedem Unternehmen gebracht“, ergänzte Jutta Isabel Heusel von Kollmannsperger ESC Executive Search Consultants. Es komme dabei auch immer auf die Firmenphilosophie an. Und auch Pure-Online entdecken immer häufiger den stationären Handel für sich, um ihre Marke auch in der realen Welt zu etablieren. Der Online-Brillen-Händler Mister Spex hat dieses Jahr seinen ersten Store im Berliner Center Alexa von Sierra Germany eröffnet. Auf dem Deutschen Shopping-Center Forum“ stellten Volker Katschinski, Kreativdirektor und Gründer von der dan pearlman Markenarchitektur GmbH, und Jens Peter Klatt, Head of Multichannel bei Mister Spex, das Konzept hinter der ersten Filiale vor. „Die große Idee war Leichtigkeit zu transportieren“, sagt Volker Katschinski. So soll den Kunden das Konzept nähergebraucht werden, dass Mister Spex online erfolgreich etabliert hat. Am Eingang bekommen Besucher beispielsweise ein Tablett, um sich vier Brillen zur Auswahl auszusuchen. Auch Online versendet Mister Spex eine solche Auswahl. „Wir wollen zeigen, dass es nicht wehtut, eine Brille online zu kaufen“, sagt Jens Peter Klatt.

Pop-Up-Stores und andere Formate

Einen ähnlichen Ansatz verfolgte auch das Start-up ZipJet mit Pop-Up-Store im Alexa. Hinter ZipJet verbirgt sich eine Online-Reinigung, die die Wäsche vom Kunden abholt und wieder zurückbringt. Im Januar hatte das junge Unternehmen für eine Woche eine Promotionfläche in dem Center gebucht. Vermittelt wurde sie von der Online-Plattform store2be. Ein Erfolgsmodell für alle Seiten. „Der wichtigste Punkt für uns war die direkte Kundenansprache“, sagt Sophie Müller, Offline Marketing Managerin bei ZipJet: „Als Online-Unternehmen sind wir schwer greifbar.“ Für Steffen Beine, Operations Manager und Prokurist bei Sierra Germany, sieht in solchen Pop-Up-Store eine gute Möglichkeit, „spannende, junge Konzepte“ in die Center zu bekommen. Dass die Vielzahl neuer Store-Formate wie Pop-Up, Flagship, Concept oder Offprice in einem Center positive Effekte im Wettbewerb um den Kunden haben können, das betonten auch die Experten des GCSC-Thinktanks. In Fokusgruppen, so Kersten Peter, Head of Market Research bei Unibail Rodamco Germany, hätte man herausgefunden, dass ein Großteil der mehr als 60 Center in Berlin als „identitätslos“ wahrgenommen würden. Ausnahmen wären große Objekte oder eben das Bikini, das viele Hauptstädter wegen der außergewöhnlichen Shopping-Konzepte kennen. Allerdings, so merkt Peter an, kommen die Menschen oft dorthin, um sich lediglich inspirieren zu lassen, aber kaufen nichts. „Es kommt darauf an, dass wir dem Kunden etwas bieten“, sagt Thomas Mattesich, Geschäftsführer von der AFT München Planungs GmbH. Als Beispiel nennt er den Edeka-Markt Geisenheim, in dem die Kunden ein Glas Wein trinken können oder ein Steak serviert bekommen. „Ich bin davon überzeugt, dass es immer mehr in Richtung einer individuellen Ansprache geht“, so Sebastian Müller, Head of Real Estate Consulting bei der GfK Geomarketing GmbH.

Faszinierende Zeiten für Architekten

Marc Blum, Director Creative Design Architecture & Construction bei der ECE, sieht diesen Trends mit Begeisterung entgegen: „Das Vokabular hat sich extrem erweitert. Für uns Architekten ist das extrem faszinierend.“  Eine große Herausforderung sieht er darin, dass zukünftig auch Gastronomie eine immer stärkere Rolle spielen wird, wie es bereits in Asien zu beobachten ist. „Wir müssen uns damit anfreunden, dass Top-Gastronomen auch Top-Lagen einfordern werden“, sagt er. Dafür müsse aber auch architektonisch die Umgebung geschaffen werden. „Das heißt, dass wir Shopping-Center neu denken müssen“, so Blum. Was die Architektur betrifft, so ist es nicht nur die Gastronomie, die die Art Shopping-Center zu bauen, radikal verändert. Es sind auch ein anderer Blick auf unsere Städte und ein Immobilien-Markt, der seine Reifephase erreicht hat. Laut dem „Shopping-Center-Report 2016“ sollen dieses Jahr nur vier neue Center eröffnen, 13 waren es 2015. Was aus der EHI-Untersuchung aber auch hervorgeht, dass neue Projekte oftmals eine Quartierentwicklung verfolgen, die nichts mehr mit der Monoarchitektur der Vergangenheit zu tun.

Hanau und Quartiersentwicklung

Das zeigte auch das Beispiel Forum Hanau: „Das war nicht das Leitbild der Branche“, erklärt Harald Ortner, Geschäftsführer der HBB, „sondern ein innovativer Ansatz“. Das Shopping-Center ist sehr offen angelegt und greift mit seiner Y-förmigen Wegen die bestehenden Strukturen der Hanauer Innenstadt auf. Entstanden ist das Konzept in engen Dialog mit den Bürgern. Für den Architekten Matthias Pfeiffer, Geschäftsführender Gesellschafter von RKW Rhode Kellermann Wawrowsky GmbH + Co. KG, verbindet das Projekt Stadt und Handel auf eine Weise, die früher die Regel war. Aus seiner Sicht gab es lange „keine Urbanität im Handel“. Funktionalität stand an erste Stelle. Das scheint sich jetzt zu ändern.

Eigene Presseabteilungen sind wichtig

Dass andere Immobilentypen auf dem Vormarsch sind, das sahen auch die Journalisten auf dem Podium beim Forum Retail.  Hanno Bender von der Lebensmittel Zeitung, Richard Haimann, der als freier Journalist für Die Welt und das Handelsblatt schreibt, Christoph von Schwanenflug von der Immobilien Zeitung und Thorsten Müller vom German Council Magazin diskutierten auf dem Podium über die Trends der Branche. Sie betonten dabei abermals, dass Online-Offline immer mehr verschmelzen und wie wichtig es für Unternehmen heutzutage ist, in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit auf eigene Presseabteilungen zu setzen.

Emotionen in der Werbung

Wie gut Marketing funktionieren kann, erläuterte Thomas Sterath von der Hamburger Jung von Matt AG. Mit originellen Spots wie „Supergeil“ für Edeka und „Is‘ mir egal“ für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hat die Agentur Furore gemacht - und mit dem Weihnachts-Kurzfilm „Heimkommen“, ebenfalls für Edeka, Marketing-Geschichte geschrieben. „Dieser Film bildet keine Emotionen ab – er löst welche aus“, erklärte Sterath die Abermillionen Youtube-Klicks. Werbung müsse danach trachten, die Distanz von Belohnung und Strafe zu minimieren, erklärte der Experte im Marketing-Forum. Letztere sei oft eine soziale Ächtung beim Kauf von Luxusgütern wie mit Brillanten besetzte Edel-Uhren und Nobel-Limousinen: „Damit würden Sie Ihre Kinder wohl kaum zur Schule bringen.“ Targeting sei keine geeignete Form zur Kundenbindung – vielmehr befürwortete Sterath beispielsweise Expertentipps zum Produkt auf Social-Media-Kanälen. Hauptsache unterhaltsam, so das Credo. „Der Handel hat sich bisher kaum als Marke verstanden und versucht, alles über den Preis zu regeln“, mahnte der Referent. In Wahrheit seien Dumping- und Sale-Preise jedoch der Tod einer jeden Marke. „Den Konsumenten ist heute mehr zuzumuten, als viele denken“, plädierte er für mutige Kampagnen.

Den Kunden verführen

Gelungene Beispiele emotionalen Marketings steuerte Nils Wulf von Weischer Media aus Hamburg mit der so genannten Cannes-Rolle zum Marketing-Forum bei – ein kleiner, höchst unterhaltsamer Ausflug in die Welt preisgekrönter Top-Spots vom Cannes Lions International Festival of Creativity. Werbung möchte den Kunden verführen. Was die Marketing-Experten aus einer praktischen Perspektiven den Teilnehmern beim „Deutsche Shopping-Center Forum“ näherbrachten, das betrachtete Professor Dr. Ludwig Hasler aus der Warte des Philosophen. „Verführung ist sinnlich – der Kunde möchte die Magie der Dinge entdecken, denn sie sind ein Spiegel der Seele“, sagt Hasler.
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