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08. Mai 2016

Das Theater bleibt – die Inszenierungen wechseln

ZWEI DER ANGESAGTESTEN DEUTSCHEN LADENDESIGNER ÜBER GEGENWART UND ZUKUNFT IN DER MALL- UND SHOPGESTALTUNG
Wolfgang Gruschwitz, Geschäftsführer der gleichnamigen GmbH in München. Foto: Gruschwitz
Karl Schwitzke, Geschäftsführer der Schwitze GmbH. Foto: Schwitzke
Worauf kommt es heutzutage bei Ladenbau, bei der Shopfassaden- und –Innengestaltung an. Zwei der aktuell gefragtesten deutschen Innendesigner und –architekten, Wolfgang Gruschwitz München) und Kark Schwitzke (Düsseldorf), machen deutlich, wie für sie eine hervorragende Umsetzung aussieht.

 

Worauf sollten Center-Entwickler hinsichtlich der Shopgestaltung heutzutage besonderen Wert legen?
Karl Schwitzke: Zuallererst müssen sich die Center selbst als Dachmarke begreifen und positionieren. Dazu gehört unabdingbar die Entwicklung einer eigenen, tragfähigen Story. Sie muss mit dem jeweiligen Standort zu tun und einen regionalen Bezug haben, in sich schlüssig sein. Nur so kann sich eine Akzeptanz bei den Menschen vor Ort einstellen. Aus der Story heraus entwickelt sich dann eine ganz eigene, folgerichtige Gestaltungssprache für die Architektur, das Innendesign, die Grafik und Kommunikation. Unsere Herangehensweise an ein Shopping Center unterscheidet sich somit grundlegend von der eines klassischen Hochbaubüros. Wir denken immer stark von der Konsumentenseite und sind marketinggetrieben. Die Frage nach dem Mehrwert für den Konsumenten ist dabei entscheidend. Warum soll er in das jeweilige Shopping Center kommen? Was ist das Einprägsame an diesem Ort, was bleibt haften? Erfolgreiche Mall-Konzepte aus dem Ausland liefern da gute Beispiele: die Dubai Mall mit ihrem Aquarium oder die Mall of Emirates samt Skihalle. Aber es müssen nicht zwangsläufig solche Superlative sein, um die Einzigartigkeit der Mall herauszustellen. In unserem jüngsten Projekt, dem Palais Vest in Recklinghausen, setzen wir auf einen starken historischen Bezug zum Standort, die Gestaltung greift das Thema „Historische Schlösser“ in vielen Facetten auf. Im nächsten Schritt ist entscheidend, wie der Mietermix zusammengestellt wird. Auch hier muss alles zur Positionierung des Centers als Dachmarke passen.
Wolfgang Gruschwitz: Zum einen sollten die Center-Entwickler auf eine flexible Einteilung der Flächen, auf Freiheiten im Bereich Fassadengestaltung und Individualität Wert legen. Zum anderen aber auch auf die Möglichkeit, rund um die Uhr geöffnet zu haben und inspirative Zonen zu schaffen, die mit Pop-Ups, Events oder anderen neuen und alten Serviceplattformen gefüllt werden können. Ferner aber auch auf noch mehr Atmosphäre, beispielsweise über die Integration von Natur („urban farming“). Gedanken zu Online-„click & collect“-Installationen fehlen derzeit fast noch komplett, da die Mietverträge immer noch nach Umsatz anstatt nach Frequenz berechnet werden und Soziale Medien und Internetzugänge sind längst noch nicht selbstverständlich. Schließlich sollte man aber auch neue Ideen entwickeln und Umsetzungsbereitschaft zeigen, um mit gezielten Events zur Frequenzerhaltung beitragen zu können. Individualität und Einheitlichkeit bei der Shopgestaltung in Einkaufscentern gleichwertig zu berücksichtigen, klingt nach einer Herkulesaufgabe. Wie gelingt das trotzdem?
Karl Schwitzke: Eine Einheitlichkeit in der Shopgestaltung ist in unseren Augen nicht sinnvoll. Vielmehr raten wir unseren Kunden, soviel Vielfalt wie möglich zuzulassen bei der Ausgestaltung der Mieterfassaden. Man kann es mit einem Bühnenstück vergleichen: Das Center stellt das Theatergebäude dar, welches immer konstant ist, die Inszenierungen – sprich die Läden – wechseln. Dabei dürfen und sollen die einzelnen Stücke ebenfalls prägnant und individuell sein, die Centerbetreiber sollten lediglich im Hinblick auf die Designqualität steuernd eingreifen und viel Freiraum für die Ausgestaltung der Marken zulassen. Mit unserem Projekt Pasing Arcaden haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade die Vielfalt der Fassaden zur Wirtschaftlichkeit beiträgt. Insbesondere offene Fassadenlösungen machen das Produkt besser sichtbar und zugänglich für den Kunden. Das ist vor allem für schwächere Marken vorteilhaft. Die starken Marken machen ihre Umsätze ohnehin.
Wolfgang Gruschwitz: Die Vorgaben der Shoppingcenterbetreiber sind generell schon eine Unterstützung, denn auf diese Weise wird die Außenwirkung und somit die Orientierung für die Kunden erleichtert. Auf der anderen Seite suggeriert mehr Freiheit für die Mieter im Innenraum dem Shoppingcenter-Kunden auch mehr Individualität und Einzigartigkeit im Einkaufserlebnis. Wenn mehr Regionalität in die Center eingebaut wird, dann können auch kleinere Konzepte zum Tragen kommen. Eine Branchen-Zusammenfassung hilft bei der Orientierung, dabei sollte man ggfls. mehr Gassen und etagenübergreifende Branchenflächen (ähnlich den Zunftvierteln) bereitstellen. Das Erlebnis „Handel“ sollte nicht auf TV-Screens und Online-Tools reduziert werden. Handwerkliche Bereiche und Service-Betriebe können die Ware mit einem Erlebnis versehen und als einzigartig im Kopf der Klientel verankern. Beispiele sind etwa Strick- und Bastelflächen (Dawanda), Waschsalons (Wash & Coffee), Bildungsangebote (Nachhilfezentren oder Sprachkurse) oder Bewegungseinrichtungen (Yogastudios). Auch in den F&B Bereichen besteht noch Potential nach oben.

 

Wie wird sich der Ladenbau, speziell hier in Deutschland, weiterentwickeln? Sind zukünftige Trends schon absehbar?
Karl Schwitzke: Der Laden schlüpft verstärkt in die Rolle des Markenbotschafters. Es geht um Storytelling und Kommunikation mit dem Kunden. Die eigentliche Herausforderung liegt darin, über alle Touchpoints hinweg das gleiche Markenversprechen einzulösen. Denn das Internet hat das Käuferverhalten verändert, die Kunden sind anspruchsvoller und haben höhere Erwartungen. Sie möchten eine gute Zeit erleben und ein kuratiertes Sortiment vorfinden, das sie noch nicht kennen. Der stationäre Handel muss seine Zielgruppe überraschen, inspirieren und ihr einen Mehrwert verschaffen, andernfalls macht er sich überflüssig.
Wolfgang Gruschwitz: On- und Offline Verkauf wird noch mehr zusammenschmelzen, z.B. in Form von Multimedia-gestützer Beratung im Laden und Integration der sozialen Medien. Showroom-Charakter mit Lieferung nach Hause (click & collect) wird derzeit in so ziemlich jeder Firma angedacht. In Zukunft gibt es über die Verschmelzung verschiedenster Branchen verstärkt Mehrwert für den Kunden. Daraus entsteht eine neue Flächenaufteilung und Integration, ähnlich den Anfängen der Concept Stores. So zeichnet sich das Zusammenwachsen von Food und Fashion immer mehr ab und wird auch bei uns, ähnlich wie in London, schon bald Standard sein. Vintage und geschichtsträchtige Einrichtung wird auch weiterhin im Trend liegen. Neue Gedanken in Hinblick auf die Warenpräsentation werden notwendig sein, denn VM bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Spontankaufmotivator. Während multimediale Installationen immer selbstverständlicher werden, sind - um sich abzuheben - immer mehr sinnesreichere Ansprachen im Ladenbau gefordert. Individualisierte Werbung (z.B. „shopBeacons“ von Shopkick) wird immer mehr einen Einfluss auf die Übersichtlichkeit und Gestaltung der Kundenwege und damit auf die Ladenplanung haben.
Es ist völlig klar, dass in den nächsten drei bis sechs Jahren Online-Händler massiv auf den stationären Handel drängen, um mehr Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu erlangen. Interessant wird in diesem Zusammenhang mit Sicherheit deren Rückkoppelung auf die bisherigen Öffnungszeiten-Modelle sein. Hinsichtlich der Materialien geht neben matt auch der Trend hin zu schimmernd und hochpoliert. Auch weichere Materialien, wie Teppich, werden wieder verstärkt nachgefragt.
Die Farben sind weiterhin nicht einheitlich und sehr stark abhängig von der jeweiligen Marke. Von monochromen bis hin zu schreienden Farben ist alles erlaubt, je nachdem welche Philosophie man vertritt und welche Zielgruppe angesprochen wird. Havaianas macht es vor. Google spielt mit seinem Logo und Formen und Farben. Adidas erlaubt dem Kunden dagegen sogar eigene Kreationen mit dem Logo.

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